Push The Sky Away :: Nick Cave And The Bad Seeds

Auf seinem musikalisch reduzierten neuen Album inszeniert Nick Cave überraschend ironisch die Wonnen des reifen Mannes

Zunächst hat Nick Cave die Vorhänge zurückgezogen, um uns eine langbeinige nackte Frau in einem leeren Zimmer zu zeigen. Er selbst trägt wie immer einen untadeligen Anzug. Aber das leere, weiße Zimmer: Wäre der Raum abgewohnt und in der Grundfarbe bräunlich – man würde sofort an den „Letzten Tango in Paris“ denken, Marlon Brandos schweinisch-bizarren Abschied von den Dingen des Lebens.

Doch statt der fatalistischen Ekstase im Kamelhaarmantel erleben wir die merkwürdig heißkalten Genüsse des Rezitators Cave. Die Bad Seeds sind heruntergestimmt auf Orgel, Glockenspiel und Harmoniegesänge: „And we know there’s no need to forgive“, wiederholt Cave in, ,We No Who U R“. „It’s the will of love/ It’s the thrill of love/ Ah but the chill of love is comin‘ on“, verkündet er in „Water’s Edge“. „But you grow old and you grow cold.“ Der Romantiker als feierlicher Minimalist, reduziert auf Rhythmus und kleine Verschiebungen in der musikalischen Struktur.

„Jubilee Street“ weckt aus der faszinierenden Starre der ersten drei Stücke, steigert sich um eine kräftige Bass-Figur und die Violine von Warren Ellis wie ein Song der Tindersticks, gewinnt an Lautstärke und Dringlichkeit. Bei „Mermaids“ herrscht erstmals das typische Bad-Seeds-Flirren, das ozeanische Dräuen: „I believe in God/ I believe in mermaids, too/ I believe in seventy two virgins/ On a chain, why not why not.“ Dann deklamiert Cave das Stück „We Real Cool“ zu Thomas Wydlers pochenden Drums, das Klavier ertönt, die Geige simmert.

Das alles wirkt wie eine protestantische Veranstaltung: Der dionysische Krach von Grinderman, aber auch die bodenlose Soundtrack-Musik mit Warren Ellis sind weit entfernt. Wie bei keiner anderen Platte vertraut Nick Cave der kleinen Melodie, der schlichten Form, dem subtilen Spiel des Schlagwerks. „Finishing Jubilee Street“ ist sogar fast Eno/Byrne – oder eine Probe-Session in Rhythmik und Chorgesang.

Und dann kommt doch noch das Stück, nach dem sich der Cave-Liebhaber sehnt. Es ist wieder die vielleicht doch tödlich ernst gemeinte Verbindung aus geheimnisvoller, bedrohlicher Noir-Erzählung, erotischer Verheißung und der Möglichkeit eines schrecklichen, wahrscheinlich letalen Unfalls. Der Blues, der alte Abgrund: immer auch eine Lachnummer bei Cave. „I’m going down to Geneva baby/ Gonna teach it to you.“ Der „Higgs Boson Blues“ ist eine sinnfrei gereimte und ausgesprochen lustige Suada: „Hannah Montana does the African Savannah/ As the simulated rainy season begins“, blödelt der Troubadour. „Rainy days always make me sad/ Miley Cyrus floats in an swimming pool in Taluca Lake/ And you’re the best girl I’ve ever had/ Can’t remember anything at all.“ Der kirre Song gehört bestimmt zu den zehn besten Stücken in Caves Repertoire: „Tupelo“, „We Came Along This Road“, „My Sorrowful Wife“, „Lime Tree Arbour“, „Hallelujah“, diese Klasse.

Und „Push The Sky Away“? Top Five. (Bad Seed/Rough Trade) Arne willander

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