Radiohead :: Box Set

Es ist eine köstliche ironische Volte, dass „In Rainbows“das einzige ausschließlich virtuelle Album von Künstlern von Rang – in sämtlichen Bestenlisten des Jahres 2007 prominent geführt wird. Nicht einmal Arcade Fire erreichten so viel Konsens wie Radiohead, deren letztes Album zuvor im Jahr 2003 erschienen war und einen verspäteten Protest gegen die gestohlene Präsidentschaft von George Bush darstellte. Neben vielen anderen Aspekten freilich, die im wohlig-wolkigen Sound und im Greinen von Thom Yorke untergingen. Von Beginn an verstanden es Radiohead, das vage Unwohlsein und die existenzielle Unbehaustheit ihrer Generation in eine halb jämmerliche, halb aufmüpfige Poesie zu fassen, die noch dem hartgesottensten Zyniker ans Herz griff.

Vielleicht noch nicht bei „Pablo Honey“ von 1993 und auch nicht bei „The Bends“einer Platte, die 1995 in dieser Zeitschrift spektakulär unterbewertet wurde. Aber spätestens doch bei „OK Computer“, jenem Album von 1997. das von Entfremdung und Vereinsamung, von Angst und Krankheit erzählt und das damals mit sofortiger Wirkung zum Dezenniumsmeisterwerk gekürt wurde. Ausgerechnet in den USA triumphierten Radiohead wie vor ihnen zuletzt Queen oder Pink Floyd. als hätte es Green Day, Blink-182 und Rage Against The Machine nie gegeben. So groß war die Liebe zu den tieftraurigen, meckernd gesungenen und oft verschlungenen Etüden, dass sie sogar die avantgardistischen Gipfelbesteigungen von „K/d4″deckte, die 2000 heftige Dispute auslösten. Die Pop-Fraktion vermisste Song und Gefühl,den Bilderstürmern ging die Abstraktion noch nicht weit genug. „Amnesiac“ (2001) hatte dann keine Kämpfe mehr zu bestehen, war eher konventioneller als „Kid A“ und verursachte nicht viel Wirbel. Das Live-Album „I Might Be Wrong“ (2001) – natürlich rigoros ohne „Creep“ und „No Surprises“, ohne „Exit Music (For A Film)“. „Paranoid Android“ und „Karma Police“ – geriet zur beinahe beiläufigen Angelegenheit. „Hai! To The Thief“ schließlich bestätigte das hohe Niveau, auf dem Radiohead sich eingerichtet hatten – eine Band, die auch ohne beständigen Wandel innovativ und diskutabel bleibt.

Keine andere Band war mithin so prädestiniert dafür, eine vorgeblich subversive Kunst-Aktion wie „In Rainbows“ zu exekutieren. Dass es sich tatsächlich um Musik handelt, war dabei gar nicht von Bedeutung – der Akt selbst hatte das nebulöse Produkt bereits zum medialen Meta-Phänomen erhoben.

Die titellose weiße Box. die EMI den abtrünnigen Musikern nun hinterherschickt, enthält die Alben in Digipaks – ohne Aufsätze, ohne Zusätze. Das Beste, was sich darüber sagen lässt: dass Nachgeborene recht günstig in den Besitz der Platten gelangen. Aber vermutlich haben sie ohnehin alles längst heruntergeladen.

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