REPLAYS 2 :: von Bernd Matheja
Normale l:l-Reissues, eine Box, Best Of und Greatest Hits – die PRETTY THINGS haben nach Jahren im CD-Schatten inzwischen Hochkonjunktut Wer noch nicht bedient ist und die mega-schroffen Anfange der Kult-Band favorisiert, sollte jetzt zugreifen – beim Debüt „The Pretty Things“ (Snapper SMMCD 54«) und dem Nachfolger „Get The Picture?“ (Snapper SMMCD 549). Beide Klassiker wurden um je sechs Single-Tracks aufgestockt, die ganze Chose kommt rüber in allerbester Soundqualität. Und: Die Scheiben sind als CD-ROM mit Video-Footage ausgelegt (IBM & MAC): einem Promo-Clip für „Rosalyn“ sowie einem sehr raren BBC-Kurzfilm aus dem Jahr 1966. Mit 4,0 legen wir die „schönen Dinge“ nun aber vorerst endgültig zu den Akten.
Das Second-Battle-Label hat sich schwerpunktmäßig auf Germanisch-Progressives der Endsechziger und Frühsiebziger spezialisiert. Jetzt gibt es einen appetitlichen Abstecher in die USA, anno 1978. ROY BUCHANAN, vor genau zehn Jahren verstorbener Edelgitarrist aus Ozark/Alabama, kommt zu Veröffentlichungs-Ehren. „You ‚reNotAlotte“(Second Battle/über Pandora’s Box SB 050) war ein späteres Werk, das nur noch Restspuren von Blues aufwies (der bei ihm nie so ganz gefühlsecht ausfiel), doch insgesamt eher freiere Exkursionsspielräume für den fixen Finger bot. Das nicht nur nominell starke Assistenz-Trio Ray Gomez, Willie Weeks und Andy Newmark glänzt bei Nummern wie Neil Youngs „Down By The River“, Joe Walshs „Turn To Stone“ und dem Eigenbau „Fly… Night Bitd“, der so klingt, wie er heißt. Auch hier wirkt Buchanan punktuell etwas poliert, was aber den guten Gesamteindruck nicht stört. Sehr saubere klangliche Bearbeitung, eine schöne Scheibe mit ganz leichtem Puderzucker. 3,0
Endlich gibt es jetzt 20 top-restaurierte Antiquitäten aus dem faszinierendsten Damen-Hals des mitteleuropäischen Festlandes: „In The Beginning“ (Telefunken 3984-22007-2) von INGA RUMPF. Man faßt sich noch immer verständnislos an den Schädel: Was hätte/müßte/sollte usw. bei dieser Stimme! Blues, Folk, Traditionais und ein paar deutschsprachige Versuche aus den Jahren 1966 bis 1969 sind im Angebot; solo eingespielt, mit dem City Preachers-Singekreis oder im Duett mit John ODrien. Dank Ingas schon damals wunderbar knarziger Interpretation wurden auch Titel aus dem Feuer gerissen, die eigentlich eine Nummer zu klein für sie waren. Kleine Meckerei: Zum internationalen Booklet-Standard gehören (trotz der schönen Fotos) inzwischen ein wenig detailliertere Herkunftsangaben. Doch auch die unverständliche Cover-Reproduktion der „Bonnie & Clyde“-Single (englische Musik, deutsche Hülle) kann nichts daran ändern, daß – nach den Boots-Ausgrabungen – schon wieder eine prima 4,0-Empfehlung aus dem Telefunken-Archiv kommt. Weitere rare Früh-Beat-Entstaubungen mitten aus deutschen Landen sind schon in Vorbereitung.
Technisch ist doch sowieso alles möglich, fehlt nur noch die rechtliche Seite. Wann also zahlt jemand dem französischen Elektroniker Pierre Henry einsfuffzig für die Erlaubnis, seinen Zirp-, Quietsch- und Piep-Murks von “ Ceremony“ (Edsel EDCD 565) zu entfernen, der allzu schwer mißhandelten SPOOKY TOOTH-Scheibe von 1969? Die Kombination aus fettem, erdigem Holzorgel-Sound und dem komplett nichtsnutzigen Gefiepe hat etwa die Stimmigkeit von Bratkartoffeln mit Pommes – und ist noch schwerer zu ertragen als etwa die Geigen und Bläser vxAJE.motions“ von den Pretty Things (da sind sie schon wieder) oder das nachträglich aufgepappte Violinieren bei diversen Shadows-Titeln. Und sich nur an Mike Harrisons („Henry hat das offenbar im Klo dazugemischt“) Nebelhorn zu ergötzen, ist etwas wenig. Nein, danke. 1,0
Da loben wir uns doch ein Reissue wie das von TONY McPHEE & FRIENDS: Zwei inzwischen gesuchte LPs von 1968/69 wurden zur Doppel-CD zusammengehängt, „Me And The Devil“ und „I Asked For Water, She Gave Me Gasoline“(BGOCD 332). Zu den Ausführenden gehören unter anderem die Groundhogs, die Andy Fernbach Connexion, Dave Kelly und Brett Marvin & The Thunderbolts (später als Jona Lewie bekannt geworden). 31 sättigende Portionen englisch-gefärbten Akustik-Blues aus der Oberliga, nur in Ausnahmefällen im Gruppenverbund präsentiert. Und vor allem gibt’s ein Wiederhören mit der so früh verstorbenen UK-Zwölftaktkönigin Jo-Ann Kelly, deren stets großartige Arbeiten schon längst eine umfassende Würdigung auf CD verdient hätten. Daß diese Raritäten obendrein in einem vorzüglich bearbeiteten Sound angeboten werden, rundet dieses Blues-Bonbon positiv ab. 4,0
„Best Of-Gekoppeltes vom Künstler persönlich, da setzt es vereinzelt schon mal grausige Überraschungen, man denke zum Beispiel an Mitch Ryder oder die Waterboys. STEVE HAR-LEY sieht da mit „More Than Somewhat -The very Best Of(EML493764) schon besser aus; die Hits mit Cockney Rebel hat er ebensowenig vergessen wie fünf Nachzügler von 1986 bzw. 1996 denen jedoch mangelt’s strichweise am Flair der intensiven, frühen Karriere-Jahre. Schade, daß neben „Mr. Soft“, „Sebastian“ & Co. kein Platz für das nie verkoppelte, textlich so wunderbar abgedrehte „Ritz“ war. 3,0
Gute, längst überfällige Idee: „The Gaelic Collection 1973 – 1998“ (Ridge Records/EMI 495 666) von RUNRIG. Die (leider kapazitätsmäßig mal wieder nicht voll ausgenutzte) Doppel-CD versammelt 28 Tracks der Berufs^Schotten von der kleinen Hebriden-Insel Skye, sämtlich eingespielt in der phonetisch kaum einmal halbwegs nachvollziehbaren Landessprache. 4,0
Endlich auf CD: „The Modern Dance“ (Cooking Vinyl 141), das Debüt von PERE UBU, sowie „Terminal Tower“ (Cooking Vinyl 142), eine exzellente Sammlung mit Singles und B-Seiten von 1975 bis 1980. Songs wie „My Dark Ages“ und „Not Happy“ dokumentieren David Thomas‘ Lebensfreude. 4,0
Eine sehr kostspielige Schmuck-Box mit zwei CDs, einem Folianten-ähnlichen Buch und Räucherstäbchen bietet ein Set von RAVI SHANKAR. Das wie für die Ewigkeit handgeschöpfte Sammlerstück ist auf 2000 Exemplare limitiert und kostet, nun ja, 799 Mark (WOM Zentrallager, Speckenberger Weg 156,24113 Kiel).