Replays 2 von Bernd Matheja

Jetzt, da in den gesamten Kinks-Backkatalog endlich geordnete Bewegung kommt, profitiert auch DAVE DAVIES davon. „Unfinished Business“ (Casde ESS CD 584) ist eine Doppeldecker-Anthologie, die einen Querschnitt durch das Schaffen des oft unterschätzten Komponisten und Gitarristen anbietet CD 1 – mit 80 Minuten kurz vor dem Überborden – enthält Davies‘ Arbeiten mit der Band; etwa seine acht Single-Tracks sowie weitere Kinks-Titel, die er durch „Gesang“ oder beeindruckendes Saitenbiegen geprägt hat. Stücke wie „Creeping Jean“, „This Man He Weeps Tonight“ oder das exzellente „Living On A Thin Line“ beweisen seine Klasse vor allem als Autor. CD 2 ist Davies‘ späterer Solo-Karriere gewidmet, wobei seine überraschend krachledernen Rock-Ergüsse selbst bei Kinks-Fans noch heute nicht unumstritten sind. Vier bislang unveröffentlichte Titel plus 15 LP- bzw. Single-Abnahmen sind denn auch ausreichend. Schönes Booklet mit vielen Abbildungen. 4,0

Musik fürs Auge, das ist „The EP Collection“ (Castle ESFCD 667) von den KINKS. In einem Mini-Schuber stecken zehn in den Sixttes extrem selten gewesene Four-Track-Scheibchen – natürlich in den verkleinert reproduzierten Originalhüllen. Mit im Angebot sind „The Kinks In Sweden“, „Village Green Preservation Society“ (Portugal), „Waterloo Sunset“ und „Dead End Street“ (Frankreich). Songmäßig ohne Überraschungen, besticht das überaus ansehnliche Set optisch; man kann sich – zugegeben – dem Reiz dieser Veröffentlichung nur schwer entziehen: gelungene Reminiszenz an eine Covergestaltung, von der heute wirklich nur noch geträumt werden darf. Jede Wette: Auch die Singles in Originalhüllen werden über kurz oder lang wieder auftauchen. Wer wagt den ersten Schritt?!

Lange waren sie vergriffen, jetzt gibt es klanglich restaurierte Neuauflagen: „Music In A Doll’s House“(See For Miles SEECD 100 H/TIS) und „Family Entertainment“ (SEECD 200 H/TIS) sind wieder lieferbar. Die beiden Erstlinge von FAMILY klangen nie besser! Auch ohne Bonus-Tracks sind die Scheiben komplett zeidose Highlights des britischen Underground-Rock der ausgehenden Sedizigen Noch heute stehen die Arbeiten des geradezu schändlich unterbewerten Autoren-Teams Roger Chapman(John Whitney völlig eigenständig in der Landschaft, passen in definitiv keine einzige der handelsüblichen Stil-Schubladen. Titel wie die Über-Nummer „The Weaver’s Answer“, wie „Hung Up Down“, „The Chase“, „Me My Friend“ oder „Observations From A Hill“ sind singuläre Konstrukte fabelhaft umgesetzt von einer hochkreativen Combo, deren luftdichtem Teamwork Chappos Gurgel- und Wisperorgien die Krone aufsetzen. 4,0

Nach halbamtlichen Fernost-Importen und einer deutschen Not-Kopplung ist jetzt auch das Gesamtwerk von Kratzhals FRANKIE MILLER in CD-technischer Bearbeitung. Recycled wurden zunächst „Once In A Blue Moon“ (mit Brinsley Schwarz als Assistenz-Kapelle; Repertoire REP 4725), „Highlife“ (REP 4724) und „TheRock“ -REP 4726) – und damit automatisch gleich drei seiner besten Versuche aus den Siebzigern. Ob als verknarzter Bluesrocker („Hard On The Levee“), als glaubwürdiger Dylan-Bearbeiter (Just Like Tom Thumb’s Blues“), als Laid-back-Schunkler („Ann Eliza Jane“) oder dramatischer Balladen-Schwitzer: Der heute gesundheitlich angeschlagene Schotte präsentierte sich stets als Meister all dieser Klassen, der leider erst mit dem Schlurf-Ohrwurm „Darlin'“ ins Bewußtsein eines größeren Publikums rückte. Nicht selten tauchten Millers Ideen auch ab vorsichtig formuliert – sehr ähnliche Kompositionen „von Bob Seger“ auf dessen Scheiben wieder auf. Das Maß aller Dinge für den Intensitäts-Test heißt „Drunken Nights In The City“ – eine akustisch hingeschrammelte, qualvolle Säufer-Melodie, die einem glatt den Bourbon Whisky im Glas gefrieren läßt. 4,0 für „The Rock“ und „High Life“, 4,5 für „Once In A Blue Moon“.

Ein neues Reissue-Pfund aus deutschen Landen ist „Gloria “ von den Berliner HOUND DOGS (Telefunken 39-84-25164). Ihre starke LP „Respect“ war 1966 auf einem Winz-Label quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit erschienen, der damit eine Band im Fahrwasser der lokalen Boots-Konkurrenz entging. Gekoppelt mit zwei Ariola-Singles, entstand jetzt eine CD zwischen R&B und Beat auf Hauptstadt-Niveau (3,5). Zehnteiliges Anhängsel: Live-Aufhahmen; bei den sieben unveröffentlichten ist die Klangqualität schmerzlich, doch da es wohl nie wieder eine Hound Dogs-CD geben wird, ist dieser einmalige Bonus ohne Aufpreis werkhistorisch völlig o.K. Informative Linernotes von Hans-Jürgen Günther bringen Licht ins Dunkel um eine Band, die bis dato in keinem Lexikon Berücksichtigung fand.

Das englische Sequel-Label startet die klangliche Wiederaufbereitung alten PYE- und Piccadilly-Materials mit drei Doppel-CDs: 42 Tracks von LONG JOHN BALDRY (NEECD298), 54 von DAVID GARRICK (NEECD 297) und 58 von den ROCKIN 1 BER-RIES (NEECD 299).Beat, Pop und Cover-Versionen aus den Früh- bis Mittsechzigern, bis zu elf Archiv-Funden pro Scheibe und Mini-Poster-Inlays mit Infos „satt“ – ein ebenso empfehlenswertes Angebot wie der randvolle Einteiler „Mockin‘ Bird Hill“ (NEM-CD 979; 30 TiteD von den MIGIL 5 aus London. Für alle: 3,0 .

Lange überfallige CD-Premieren: „Live At The Picwick“ und „Three For All“. Beide Original-Alben der PEDDLERS sind als Doppeldecker zu haben (See For Miles SEECD 673;4,0 ). Roy Phillips (powerhouse vocals, Hammond de luxe), Tab Martin (b) und Trevor Morais (dr) spielten instrumental locker im obersten Erstliga-Bereich. Dir Pech: lightjazziger Club-Sound war während der Hoch-Zeit des Britpop zwischen 1967 und 1970 wenig angesagt. Für alle Fans von Georgie Farne über Mose Allison bis Booker T. sollte dies eine Pflichtveranstaltung sein; man hört nicht alle Tage eine swingende Slow-Fassung von „In The Summertime“.

Eine komplett enigmatische Figur war BILL FAY. Bis heute weiß offenbar niemand etwas über den Engländer, der 1970/71 die Obskur-LPs „Bill Fay“ und „Time Of The Last Persecution“ (zusammengefaßt auf See For Miles SEECD 499) abdrückte. Mal klangen seine Songs wie aus Leonard Cohens Trüb-Küche, dann wiederum wurden sie in Monster-Arrangements mit wagnerianischem Ausmaß versenkt. 3,0

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