Snow Globe :: Ermüdend süßes Weihnachtsalbum mit Standards und Eigenem
Kaum zu glauben, dass der Name Vince Clarke einst für Innovation stand! Der als Gründer und Songschreiber maßgeblich am Depeche-Mode-Durchbruch und am Synthie-Pop-Boom der frühen 80er-Jahre beteiligte Erasure-Mastermind und sein Sozius, der Sänger Andy Bell, neigten gemeinsam allerdings schon immer zum Aufenthalt in allzu seichten Gewässern. Statt die Welt zu ändern, covern sie nun das ihr zugehörige, bekannteste Weihnachtslied. Und während sie bei „Silent Night“ keinerlei Entfremdung inszenieren, fügen sie „White Christmas“ ein Vinylknistern bei, als hätte man das Original aufgelegt. Nat King Coles „The Christmas Song“ schrauben sie hingegen für einen Teletubbies-Heiligabend zurecht.
Acht Coverversionen setzen Erasure auf ihrem ersten Weihnachtsalbum fünf Eigenkompositionen entgegen, und man ist fast froh, wenn sie dabei, wie im zirpenden „Loving Man“, den Schlager touchieren (perfekt für den „ZDF-Fernsehgarten im Winter“!) oder sich mit „Make It Wonderful“ für den 80er-Revival-Abend empfehlen – so ermüdend erweisen sich die Neuinterpretationen. Auf der Single „Gaudete“, einem lateinischen Adventslied aus dem 16. Jahrhundert, das die Folkrocker Steeleye Span 1973 aufgriffen, paart sich gar Mönchsgesang mit frühen Depeche-Mode-Sounds -Fans der Priester und Gregorian werden sich nicht weigern, „I like“ anzuklicken. Während Kate Bush mit „50 Words For Snow“ die Weihnachtsromantik ad absurdum führte, suhlen sich Clarke und der seinen inneren Chorknaben wiederentdeckende Bell fröhlich im Christstollenteig und übertreffen jeden Dominostein an Süße. Und findet man dann doch „Blood On The Snow“, wünscht man sich, Marc Almond würde übernehmen.
Kaum vorstellbar, dass sich Mutes Labelgründer Daniel Miller an den Festtagen zu diesem Album entspannt zurücklehnen kann. Es heißt, Erasure arbeiten gerade an einem Konzeptalbum mit Kinderliedern. (Mute/GoodToGo) FRANK LÄHNEMANN
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