The Boo Radleys – C’Mon Kids

Ein „Sergeant Pepper“ der Neunziger, eine Pop-Oper fürs nächste Jahrtausend. Irgendwo dazwischen, aber auf keinen Fall darunter, liegt die Vision, von der Martin Carr geplagt wird. Mit seinen Boo Radleys legt der Songwriter und Sound-Werker höchst interessante Entwürfe zu dieser Aufgabe vor komplexe Konstrukte, die live aufgeführt immer wieder am eigenen Anspruch scheitern. Furios scheitern, wohlgemerkt. Im Innersten weiß wohl auch Carr, der ein nüchterner Geist und ein Kenner der Pop-Geschichte ist, daß er einem Hirngespinst nachhängt. Doch da der Engländer auch über einen ziemlich guten Humor verfügt, läßt er sich immer wieder auf dieses Abenteuer ein – und sorgt in regelmäßigen Abständen mit seinen Boo Radleys für Komik und Aufregung im ansonsten ziemlich unaufregenden und unkomischen Betätigungsfeld Britpop.

„C’Mon Kids“, das fünfte Langspielwerk, ist das bislang größte Abenteuer der Boo Radleys. Nachträglich wird klar, warum sich Sänger Sice unlängst noch mal eine Verschnaufpause gegönnt und unter dem Namen Eggman ein Solo-Album mit leichten Pop-Miniaturen herausgebracht hat – weil seiner Stimme jetzt vom Direktor Carr die unterschiedlichsten Verrenkungen abverlangt werden. Eben noch singt er die Mod-Träumerei „New Brighton Promenade“, da muß er danach schon gegen die schwer walzenden Beats von „Fortune Sons“ antreten, einer – man darf es so nennen – liebevollen TripHop-Persiflage. Im Eröffnungskracher „C’Mon Kids“ kämpft er, der sonst immer ein bißchen nach heißer Milch mit Honig klingt, mit erhobener Stimme gegen Riffe, die die Wirkung von superscharfen Tacos haben, um drei Nummern später seinem Gesang eine geheimnisvolle keltische Färbung zu geben daß der Song den etwas hektischen Titel „Get On The Bus“ trägt und Überschall-Gitarren darin harte Intermezzi liefern, dokumentiert nur ein weiteres Mal den verqueren Humor von seinem Kollegen Carr. Ja, dieses Werk macht es allen Beteiligten schwer. Inklusive Hörer. Denn keine Harmonie darf hier ihrem vorhersehbaren Ende zufließen, jede gängige Instrumentierung wird aufgebrochen. Doch wer seinen Blick auf die Insel richtet, stellt erstaunt fest: The kids just love it.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates