The Kinks :: Face To Face

Das fast vergessene Kinks-Meisterwerk, klanglich gelungen auf Vinyl

Raymond Douglas Davies war ein ehrgeiziger Mann. Während Bruder Dave den Dandy machte und die Kollegen Mick und Pete am Erfolg hingen wie Labelmate Donovan an Dylans Rockzipfel, war es Ray leid, als allseits beliebter Passagier des Pop auf dem Rücksitz zu reisen. Er wollte auch mal ans Steuer, doch das Navigieren teilten sich andere, und 1966 hatten sie ihren Führungsanspruch eindrucksvoll untermauert. Die Stones mit „Aftermath“, die Beach Boys mit „Pet Sounds“, die Beatles mit „Revolver“ und Bob mit „Blonde On Blonde“. Zu gern hätte Ray Davies ähnliches Renommee genossen. Dafür hätte er sogar auf „Sunny Afternoon“ verzichtet, den größten Hit der Kinks, der im Sommer um die Welt gegangen war. Eine LP musste her, kreativwegweisend und kommerziell durchschlagend. Doch, ach, sein Label traute ihm das nicht zu.

Pye Records war ein konservativer, auf schnellen Hit-Turnover angelegter Laden. Was LP-Veröffentlichungen betraf, hielt man an der alten Formel fest: Zwei Hits und zehn Füller ergeben eine Langspielplatte. Und was die Pye-Oberen von Davies als Künstler dachten, illustriert ihr Bemühen, die klaffende Zahnlücke des Sängers mit Kronen zu kaschieren. Zweimal, sagt Davies, habe er im Sessel des Dentisten bereits Platz genommen, sich dann aber in letzter Sekunde dagegen entschieden, zum Posterboy umgemodelt zu werden. Als weitere Hürde auf dem Weg zum Geniestreich in LP-Länge erwies sich seine Combo. Die Kinks hatten eben erst dem kruden R&B ihrer Gründerzeit abgeschworen und ihre Carnaby-Pop-Phase noch nicht abgeschlossen.

Entsprechend wunderlich muss ihnen Rays Songreigen „Face To Face“ vorgekommen sein. Diese Gewitterschwüle von „Rainy Day In June“, das Sozialgemälde „Most Exclusive Residence For Sale“, der ironische Naturalismus von „Holiday In Waikiki“. Intensive Soundscapes, dazwischen typische Kinks-Knaller wie „Dandy“, das Herman’s Hermits zum Hit machten, oder „Party Line“: „I’m on a party line/ Wondering all the time/ Who’s on the other end/ Is she big, is she small/ Is she a she at all…“ 14 hochklassige Songs, aus denen einer noch herausragt: „Too Much On My Mind“, eines der melodisch wie lyrisch superbsten Stücke aus Rays Feder überhaupt. Gegen dessen ausdrücklichen Wunsch pappte Pye „Sunny Afternoon“ auf das Album, das im November’66 erschien und, tragisch für Davies, indifferent aufgenommen wurde. The Kinks richteten sich auf dem Rücksitz ein.

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