THE KNIFE live in Hamburg :: Hamburg, Docks
Ein popkultureller Doppelrekord: Mit "Shaking The Habitual" hat das schwedische Geschwisterpaar Olof Dreijer und Karin Dreijer Andersson alias The Knife zweifellos eine der tollsten Platten des Frühjahrs herausgebracht. Ein klanglich und songdramaturgisch wagemutiges Werk! Das Konzert im Hamburger Docks war hingegen das schlechteste, das ich seit Langem von irgendwem auf irgendeiner Bühne gesehen habe. Das muss man auch erst mal bewerkstelligt bekommen.
Der Abend beginnt mit dem Auftritt eines sehr erregten Vollbartes im kreischbunten Aerobic-Kostüm. Auf einer Seitenbühne hopst er herum und befiehlt in autoritärer Art das Nachsprechen von antiautoritären Bekenntnissätzen wie „we are the people/the people will lead/and the leaders will follow“, worin das Publikum ihm brav folgt. Anschließend treten The Knife – oder was man zunächst dafür zu halten geneigt ist – in gesichtsverhüllend-silbrigen Sun-Ra-Arkestra-Kutten auf die verdunkelte Hauptbühne und intonieren Songs vom neuen Album. Oder besser gesagt: Man bekommt einige Songs vom neuen Album zu hören, während einer der Kuttenträger mit einem Violinbogen einen Tetraeder bestreicht. Kuttenträger Zwei plinkert auf einer Harfe mit wenigen, aber sehr dicken stählernen Saiten herum. Andere trommeln, weitere scheinen zu singen. Dazu die Stimme von Karin Dreijer Andersson. Ob sie unter einer der Kutten steckt, ist nicht zu erkennen: zu dunkel. Später wird es heller, die Kutten fallen. Darunter kreischbunte Aerobic-Kostüme. Die vermeintlichen Musikinstrumente verschwinden, was an der Musik aber nichts ändert, es kam offenbar eh alles aus der Konserve. Keine Spur von den Geschwistern Dreijer. Die stattdessen zu betrachtenden Menschen versuchen erst gar nicht mehr, den Eindruck zu erwecken, als ob sie Musik machen würden. Sie hopsen in mäßig gewitzter Weise zum The-Knife-Playback umher, bevor sie von der Bühne verschwinden und sich lediglich noch eine Lightshow in Regenbogenfarben abspult. Man versteht, dass es hier um die Dekonstruktion des Konzertwesens gehen soll sowie um die Verkehrung der Rollen von Künstler und Publikum. Doch kann man dies auch in ästhetisch interessanterer Weise thematisieren als durch dilettantisches Gehampel von schlecht angezogenen Typen bei gleichzeitiger Abwesenheit der erwarteten Künstler. Ein Auftritt von geradezu empörender Ödnis und Einfalt.