The Story Of Mo’Wax

Eine wundersame Welt, in die uns das Label Mo’Wax hier führt: Attica Blues beginnen ihr „Blue Print“ mit kammermusikalischen Samples, um im Anschluß eine Jazz-Elegie zu intonieren. Clubbed To Death gehen einen Schritt weiter, in „The First Mix“ werden chopineske Melodien mit gedrosselten Breakbeats gekoppelt. Nun sind auf „The Story Of Mo’Wax“, einer Übersicht über die Arbeiten des ehrenwerten Dancefloor-Labels, nicht alle Nummern von solch radikalem Kombinationswillen geprägt – trotzdem bewegt sich jede für sich in einem Feld, in dem die üblichen Rezeptionsmuster versagen.

Die Beats des HipHop bilden hier nicht mehr das Morsealphabet eines alternativen Nachrichtenmediums, Jungle-Rhythmen laden nicht zum entfesseltsten aller Bewegungsabläufe ein, Techno öffnet nicht unbedingt die Tür zum ultimativen Exzeß. Und auch das kann man sagen – ein Chanson muß nicht immer ein großer, spröder Aphorismus sein. Diese Sammlung von Mo’Wax-Singles und LP-Tracks eröffnet mitunter neue Dimensionen der Wahrnehmung.

Obwohl: Macher James Lavelle kreist mit seinem Label natürlich nicht so monolithisch um die Tanzfläche, wie das oft behauptet wird. Im Grunde genommen führt er nur weiter, was vor einigen Jahren bei der wegweisenden Firma Shut Up And Dance begann und zusammen, was sich an Dancefloor-Artisten außerhalb der Genre-Spielregeln bewegt. Nennen Sie es, wie Sie wollen, bloß nicht TripHop.

Die Originalität der versammelten Tracks schwankt stark. Einige Nummern erschöpfen sich in der Kombination skurriler Sounds, andere kreieren gänzlich neue Klangwelten. DJ Shadow ist einer der beständigsten Köpfe des Hauses und besitzt die Grandezza eines Goldie. „What Does Your Soul Look Like?“ fragt er und nimmt den Hörer mit auf einen 18minütigen Meditationstrip. Verhangene Rock-Riffs, kreisende Beats und viel Hall – die Avantgarde des Rock und die des Dancefloor liegen soweit nicht auseinander. Eine Feststellung, die einem auch in den Sinn kommt, während die Nummer „The Time Has Come“ läuft. Zusammen mit Unkle verzahnt House-Genius Howie B. hier HipHop-Beats mit Ambient-Sounds, so entsteht eine Dichte wie in den Kompositionen von Can.

Auch DJ Krush ist mit zwei Tracks bei der Leistungsschau vertreten. Einst gehörte der Japaner zu den Visionären des Fachs, mit seinem zweiten Album „Turntablized“ führte er den abstrakten Hip-Hop 1994 zu bis dato unerreichten Höhen. Auf Stimmen verzichtete er damals gänzlich, in die entschlackten Beats pflanzte er nur wenige, kaum dechiffrierbare Jazz-Samples. So schuf er einen übergegenständlichen HipHop, der keine Geschichte als Legitimation benötigt. „Meiso“, die dritte LP von DJ Krush, zeigt nun die Grenzen dieser Musik. Was passiert, wenn alles Zierwerk getilgt ist? Das könnte sich der Studio-Tüftler ängstlich vor der Produktion gefragt haben. Um nicht des Stillstands beschuldigt zu werden, integriert er also neue Elemente in den Sound.

Eine Entscheidung, die gemischte Gefühle aufkommen läßt. Handwerklich ist alles perfekt.

Doch brauchen wir noch mehr Raps, in denen die Ghetto-Erkenntnis Nummer eins, „Only The Strong Survive“, recycelt wird? In der so betitelten Nummer tut das übrigens C.L. Smooth was die Sache nicht besser macht. Und auch die sanften Klänge der Shakuhachi, einer japanischen Flöte, können nicht besänftigen.

Vielleicht wird der Kosmos an obskuren Sounds, den wir bei Mo’Wax finden, auch in Richtung Pop-Kompatibilität erweitert. Moloko zeigen auf ihrem Debüt, wie sich das anhören könnte. Massive Attack und deren Freunde aus Bristol haben ja schon bewiesen, daß feinsinnigere Formen von Rhythmus durchaus in die Charts kommen können. Doch Moloko haben eine andere Herangehensweise, sie bearbeiten die zeitgemäßen Beats von einer karnevalesken Seite. Spaßvernarrt und mit der Lust am Grellen, aber nicht ohne Verständnis für die Materie.

„Do You Like My Tight Sweater?“ ist der Titel des ersten Albums, und die Legende sagt, das Sängerin Roisin Murphy mit dieser unzweideutigen Frage Kompagnon Mark Brydon auf einer Party angesprochen haben soll. Wen wundert es da, daß die meisten Songs schwül und hormonell überbordend klingen und daß sich das Duo von der eingeführten Symbiose aus Break- und Dope-Beat in Richtung P-Funk bewegt.

Am lustigsten ist der Hit „Fun For Me“. Roisin klingt hier wie eine Billie Holiday mit Batteriebetrieb.

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