Thom Yorke – The Eraser

Schon der Titel von Thom Yorkes erstem Alleingang ohne die Kollegen von Radiohead, „The Eraser“, klingt nach selbstauferlegter Beschränkung. Hat der Boards Of Canada-Fan etwa ein Minimal-Techno-Album gemacht? Das Kunstlied entdeckt und dann am Ende das Lied gleich ganz weggelassen? Kunscht? Avantgarde im Sinne von Scott Walker oder David Sylvian? „The Eraser“ eröffnet mit einem abgehackten Piano-Akkord, der klingt, als hätte die CD einen Sprung, ein billig klingender Beat setzt ein, dann der typisch Yorkesche Gesang, diese Mischung ausjammern und Murmeln – ein Jammeln. In der Coda summt er dann allerdings fast hymnisch über simplen Elektronik-Klängen, und man ahnt schon, dass es Yorke hier nicht um avantgardistische Selbstbefriedigung geht. Und schon gar nicht darum, sich in einer romantischen Vorstellung als wirres Genie zu inszenieren. Eher schon um eine Weiterentwicklung bekannter Konzepte. Bereits „Kid A“ arbeitete ja mit Samples, Beats und Elektronik, vermengte organische und synthetische Sounds, Analoges und Digitales. Während es dort aber auch dem Songformat an den Kragen ging, bleibt dieses Mal alles in den gewohnten Pop-Strukturen.

In „Analyse“ schichtet Radiohead-Produzent Godrich in gewohnter Weise Sound über Sound, das Piano perlt über atmosphärische Keyboards, Cleverle Yorke sinniert über die Ich-Identität -„you’re just playinga part“ – und stellt so das Konzept des Soloalbums bereits im zweiten Song in Frage. Das Album ist ja auch mindestens ein Dreiklang: Godrich, die Maschinen und Thom Yorkes Stimme. Als Sänger war er jedenfalls nie besser als hier, spielt die human heat box, erhebt sein Jammeln in ungeahnte Höhen, summt, atmet, seufzt. Gerade in der größtenteils synthetischen Umgebung erzielt das eine enorme Wirkung. „The Clock“ vereint Blues und Beat’Box, das grandiose „Black Swan“ beginnt mit einem Hip-Hop-Beat und entwickelt daraus einen hypnotischen Groove, während die Gitarre (auch auf die verzichtet Yorke nicht ganz) lässig ein Blueslick repetiert. Stimmsamples, Synthesizer und klickende Beats treiben die Paranoia von „Skip Divided“ an, „Atoms For Peace“ klingt wie ein Joni-Mitchell-Song, den Yorke auch genauso singt – über eine blubbernde Basslinie und programmierte Perkussion. Der kaputte Techno, mit dem „And It Rained All Night“ eröffnet, erinnert zunächst an Coco Rosie, bevor dann Synthesizer-Schlieren den Song überschütten. Neben dem folgenden „Harrowdown Hill“, das klingt wie ein Roboter, der ein Coldplay-Stück ausprobiert, wohl das schwächste Stück. „Cymbal Rush“ ist am Ende wieder betont einfach gehalten. Eine Mischung aus dem Bordcomputer einer Sechziger-Jahre-Science-Fiction-Serie und Brian Eno. „Try to build a wall that is high enough/ But it’s all boilingover“. singt Yorke, dann läuft das Album in blubbernden Beats aus.

Auf „The Eraser“ hat Thom Yorke den Namen seiner alten Band durchgestrichen, seinen eigenen drüber geschrieben und anschließend wieder ausradiert. Nur seine Stimme bleibt von ihm übrig. Ein Soloalbum mit Selbstzweifeln, eine maschinelle Körpermusik, die in den besten Momenten mit Radiohead verfolgte Konzepte auf die Spitze treibt. „The more you try to erase me/ The more that I appear.“

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