Toots & The Maytals – Roots Reggae

Am Ende versuchte Chris Blackwell dann doch noch, ihn zum nächsten Superstar des Reggae aufzubauen. Der Hammersmith Palais-Mitschnitt von 1980 sollte wohl für die Karriere von Fred „Toots“ Hibbert ein ähnlicher Zündsatz sein wie der fünf Jahre vorher aus dem Lyceum für die von Bob Marley und den „neuen“ Wailers. (Aber eigentlich war’s sein „Live In Europe“, nur unendlich besser aufgenommen als das Album seines Idols Otis Redding.) Das von Jim Dickinson produzierte „Toots In Memphis“ war dann „nur“ seine Hommage an Vorbilder wie James Carr, Eddie Floyd, Jackie Moore und natürlich Otis der letzte ernsthafte Versuch in dieser Hinsicht. Aber auch dieses „Solo“-Projekt mit Koryphäen wie Mikey Chung und Eddie Hinton an Gitarren und der Rhythmustruppe Robbie Shakespeare/Sly Dunbar, neuester Beleg für seine „Reggae Got Soul“-These, entzückte entschieden mehr die Kritik als das kaufende Publikum. Über all die Jahre erschienen immer wieder – legal, illegal oder scheißegal neue Sampler mit Maytals-Aufnahmen aus deren Ska-, Bluebeat-, Rocksteady- und Reggae-Jahren vor dem Vertrag mit Island. Daß sie dafür kaum einen müden Dollar, geschweige denn ein paar mehr sahen angesichts der international verkauften Platten, waren sie schon gewohnt. Auch in Jamaika hatte man sie – obwohl seit den Anfängen so ungefähr das populärste Vokal-Ensemble der Insel überhaupt – so oft um Geld geprellt, daß sie ab 1966 schließlich für den mächtigen Produzenten Byron Lee überhaupt nicht mehr aufnahmen.

Nach Fred Hibberts Knastjahren wegen Marihuana-Besitz zu Leslie Kong gewechselt, hatten sie mit dem darüber geschriebenen „54-46 That’s My Number“ ihren bis dahin größten Hit. Kong zahlte anständig für die Singles und LPs, die er auf seinem „Beverly-Label unters einheimische Volk brachte. Aber als ihn eine Herzattacke hinwegraffte, gab es zu den Dynamic Sounds von Byron Lee – mittlerweile das bestens und modernst ausgerüstete Tonstudio der Insel – keine wirkliche Alternative mehr.

Daß Toots ein großer Fan amerikanischer Soul Music war, ist kein Geheimnis. Aber Cover-Versionen der Stax/Volt-Hits, die Mittelwellensender damals mit zig- und hunderten Kilowatt in den Äther schickten in New Orleans, sang er wohl häufiger im Konzert, nahm er aber seltener im Studio auf. Auf den LPs dieser Jahre finden sich Cover-Versionen von „Give Peace A Chance“ und „We Shall Overcome“, und den Punk-Klassiker „Louie Louie“ schätzten die Maytals ‚wie John Denvers Ohrwurm „Take Me Home Country Roads“ so sehr, daß sie von denen sehr eigenwillige Interpretationen aufnahmen. Aber ganz große Wertschätzung von Soul und Gospel Music bezeugten sie ausnahmsweise bei Aufnahmen wie „I Shall Be Free“ (nicht der Dylan-Song). Zum Lob des Herrn sangen sie auch mal ein Lied wie den „Revival Reggae“, und bei „The Preacher“ vom „Monkey Man „-Album erinnerten sie doch an Otis Redding und Melodians-Gospel. Aber anders als etwa Jackie Edwards orientierten sie sich kaum an amerikanischen Vorbildern.

Für Maytals-Fans ist dieses Set mit sechs Original-LPs schon deswegen ein Geschenk, weil die Songs hier nicht mehr so abartig grottenschlecht klingen wie auf den meisten der früher tatsächlich oder vermeintlich von Trojan lizenzierten Vinyl- oder CD-Veröffentlichungen, sondern akzeptabel (die frühen) bis ganz vorzüglich (die späteren Produktionen), weil endlich einmal vernünftig remastered. Erfreulicherweise aber auch nicht klinisch zu klanglichem Tod sterilisiert!

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