Tori Arnos – Abnormally Attracted To Sin
Mit Sünden kennt sich Tori Arnos aus. Hätte sie je Angst davor gehabt, Anstoß zu erregen, wäre sie wohl nicht auf die Idee gekommen, sich für ein Foto ein Ferkel an die Brust zu legen. Immer wieder schlüpfte die Sängerin in seltsame Kostüme und suchte sich für ihre Stücke neue Perspektiven. Doch obwohl der Titel ihres zehnten Studioalbums ein Zitat aus dem Musical „Guys And Dolls“ ist, spielt sie diesmal keine Rollen wie zuletzt auf „American Doll Posse“
oder zumindest nicht so viele verschiedene.
Tori Arnos hat wieder zu Hause in Cornwall aufgenommen, mit Ehemann Mark Hawley, ihrer Band und natürlich mit dem geliebten Klavier, aber hinter dem Gewohnten finden sich auf „Abnormally Attracted To Sin“ viele weitere Schichten. Nicht nur bei „Welcome To England“ und „Strong Black Vine“ scheinen sich Streicher und Computer-Beats zunächst fast zu bekämpfen. Dann schließen sie doch noch Frieden — soweit das bei Arnos möglich ist. „Musikalisches Meskalin“ habe sie erschaffen wollen, sagt sie, aber die Sängerin sah die Welt noch nie durch eine halluzinogene Brille. Es geht hier – wie so oft im Werk der Rothaarigen wieder um Macht(missbrauch) und die Möglichkeit, unabhängig zu sein von Geld, Religion und sogar anderen Menschen. Das starke „Maybe California“ appelliert an die Kraft, die aus der Verzweiflung wachsen kann. Den rhythmisch erst fließenden, dann mitreißenden Titelsong singt sie dagegen so lieblich, dass es einem verdächtig vorkommt. Und im ungeniert theatralischen „Ophelia“ beschwört sie schließlich nicht nur ein, sondern alle Mädchen: „You must break the chain/ Some girls will get their way/ Some fathers will control from the grave.“ Die Pfarrerstochter kennt sich aus.
Ein weiteres typisches Amos-Album also? Ja. Und gut, dass es zwischen der willfährigen Beyonce, die über single ladies tatsächlich „Put A Ring On It“ singt, der stumpfen Lady Gaga und der zur Tanzmaus mutierten Nelly Furtado noch solche Frauen gibt.