Townes Van Zandt – For The Sake…/ Our Mother…/ Delta Momma…/ Flyin‘ Shoes
Wer nur den zerstörten, betrunken klampfenden, mit jedem Adabei für ein Foto posierenden Townes kennt, den hilflosen, antriebslosen Hobo, am Ende von Wichtigtuern der „Grunge-Generation“, wie Van Zandt angeblich glaubte, vereinnahmt – der muss diese Platten endlich hören. Mal hier, mal da kamen sie neu heraus, waren bei Zweitausendeins erhältlich, zuletzt noch in der ramschigen Charly-Anthologie „Texas Troubadour“. Und es gab das erratische Spätwerk, Bearbeitungen, Nachreichungen, Duette, letzte Live-Dokumente. Da brannte schon lange nichts mehr, glühte nur noch Asche. Sogar Springsteens „Racing In The Street“‚, das an Townes‘ größte Songs heranreicht, gewann er nichts mehr ab, obwohl alles da war: die Straße, die Dunkelheit, die Resignation, das Weitermachen, das Sterben auf Raten. Am Ende war das fromme Inbild vom Schmerzensmann, der seine Schuhe verspielt und vom habgierigen Weib ums letzte Hemd gebracht wurde, zum Klischee geworden, dem die Elendsgestalt auf der Bühne ganz und gar entsprach: Todmüde und wirr klampfte der malade Poet seine Weisen, es gibt Videoaufnahmen davon. Am Anfang des Jahres 1997 endete die Irrfahrt durchs irdische Jammertal.
Liebe, Vergeblichkeit und Tod umkreist der manisch-depressive Songschreiber von Beginn an, programmatisch in „Waiting Around To Die“ auf „For The Sake OfThe Song“ (5,0) von 1968 formuliert: „I guess I keep on gamblin‘, lots of booze and lots of ramblin’/ It’s easier than just a-waitin‘ ‚round to die.“ Hedonismus als Verzweiflung der ausweglosen Sorte. Schon das Debüt-Album des vormaligen Landstreichers besticht mit wunderbaren Arrangements, zeittypischem Hall auf der noch klaren Stimme und Songs, die zwar nahe an der Country-Musik gebaut sind, doch mit Flöten und Piano, gar Chören wie im phantastischen „(Quicksilver Daydreams Of) Maria“ überraschende Verve und Emphase entwickeln. Eine Emphase, die Van Zandt später gar nicht gefiel – er hätte es lieber ganz karg gehabt.
Aber man muss nur den unfassbaren Song „Kat Ween“ auf „Our Mother The Mountain“ (1969, 5,0) hören, um zu erkennen, dass die Produzenten um Jack Qement Recht hatten: Das spärliche, präzise Streicher-Arrangement betont die unheilvolle Atmosphäre und das Jenseitige des Liedes wie bei einer Scott-Walker-Ballade. „Kathleen“ ist der beste Tindersticks-Song, den diese nicht geschrieben haben – und sogar ihre monumentale, am Schluss bombastisch wogende Fassung kann die Traurigkeit von Van Zandts unsemtimentaler, selbstmordfinsterer Version nicht vergessen machen: „Stars hang high above/ The oceans roar/ The moon h come to lead me to her door/ There’s crystal across the sand/ And the waves, they take my hand.“ Das ist allerhöchste Dichtung, vom Rang Whitmans und Frosts – aber Townes Van Zandt war eben nur ein sterbensunglücklicher Sänger aus Texas.
„Delta Momma Blues“ (1971, 3,5 ) und „Flyin’Shoes“ (‚4,0), nach langer Pause 1978 entstanden, kamen Van Zandts Vorstellung vom Essenziellen wohl näher, sind näher auch am Blues. Dann brach die Dämmerung an.