Tracy Chapman – Where You Live
Auf dem letzten Album von Tracy Chapman, dem 2002 erschienenen „Let It Rain“, ging es ums Familiäre. In einem leerstehenden Haus ein, zwei Autostunden von San Francisco, kam viel hochkarätiges Personal zusammen, um aus einer gemeinschaftlichen Atmosphäre heraus einen besonderen Vibe hinzubekommen. Während das mit dem Familiären laut Künstlerin funktionierte, fiel die Musik hinten über; „Let It Rain“, obschon schön gespielt, blieb eine zwiespältige Angelegenheit, weil Chapman so extrem still ist und die Musik dadurch einen zu schweren, fast apathischen Grundton bekam.
Diesmal war das Vorzeichen ein musikalisches. Abgesehen von einigen Overdubs hört man auf „Where You Live“ immer ein Trio spielen, jene kleinste musikalische Einheit, die man eine Band nennen soll, und eben davon lebt Chapmans siebte Platte. Aufgenommen von Tchad Blake in einem behelfsmäßig umgebauten Proberaum, haben diese zwölf Lieder eben jene Identität und lebendige Intensität, die zuletzt fehlte. Die Rückbesinnung darauf war dringend nötig, weil Chapman recht eingeschränkt ist in ihren musikalischen Möglichkeiten und 17 Jahre nach dem Debüt noch immer denselben Akkordwendungen und Melodiebögen vertraut, vielleicht vertrauen muß.
Wenn Blake also die Räume öffnet und toll ausstaffiert, kommt man näher an den Kern der Lieder Chapmans. Man erkennt dann das Narrative, Beobachtende dieser Kompositionen, auch den tiefen Skeptizismus, der jeder Institution mißtraut und ganz dem Menschen zugewandt ist. Protestmusik! Aber von einer Frau, deren Reflexionen auf Liebe, Heimat und Zeit nicht eingekehrter, privater und vieldeutiger sein könnten. Das zart fordernde Riff von „Change“, die halbwahr-traumhafte Szenerie von „3,000 Miles“, schließlich die archaischen Trommeln der tiefschürfenden Anklage „America“: Lesen Sie diese Musik! Anders kommt man nicht hinein.