Turin Brakes – Ether Song :: Source/Labels

Der erste Eindruck täuscht. Eine ferne Orgel, Gekicher, Geräusche aus der elektronischen Giftküche, Retorten-Beats. Klar, wurde ja in Los Angeles aufgenommen, mit erklecklichem Budget, von diesem Tony Hoffer, der volatiles Zeugs wie Air betreut hat und den landläufig überschätzten Beck. Musste halt was tun für sein Geld, der Mann. Und das Studio heißt nicht von ungefähr Sound Factory. Da ist alles vorhanden an Effektgeräten, was unmusikalische Techniker-Hirne je ersannen, ganz bestimmt. Erst als die akustische Gitarre einsetzt und die wissende Stimme von OUie Knights zu tremolieren anhebt, kommt der Track titeis „Blue Hour“ heim. Entfremdung und Homecoming, ein dialektisches Prinzip, das hier verschiedentlich für Spannung sorgt, genausooft jedoch für Ablenkung und Irritation. Der zweite Eindruck.

„The Optimist LP“, des Londoner Songwriter-Duos Debüt-Album, trat direkter an den Hörer heran, wirkte unmittelbarer. Aufgrund der vergleichsweise rustikalen Produktion, aber auch, weil die Songs dringlicher schienen, der Vortrag noch weitgehend unverstellt von Manierismen war. Weil Gale Paridjanian seiner Slide schnarrende, ächzende Laute entlockte. Die sind auf „Ether Song“ schon noch auszumachen, doch meist in Watte verpackt, zusammen mit den Drums. Gewöhnungsbedürftig. Erst recht, da die ersten paar Songs jener allzu simpel gestrickten Dramaturgie folgen, die auch Turin Brakes-Konzerte eher eindimensional gestalten: leise-schwellend-lautaus. Nicht viel dazugelernt, sagt der dritte Eindruck.

Der ebenfalls täuscht. Denn erst gen Ende offenbart diese LP ihre wahre Größe. Indem sie zunehmend abweicht vom bekannten Song-Schema. Und mehr kompositorische Substanz bietet, obschon die Grundstimmung erinnerungsselig bleibt, der Ton rauchzart bis halbbitter. „Pain Killer“ ist feinster Folk-Pop in der Tradition von Medicine Head, „Full Of Stars“ konterkariert melodische Süße mit jazzigen E-Piano-Tupfern, „Panic Attack“ ist Tyrannosaurus Rex an der Schwelle zu T. Rex, „Little Brother“ rockt böse in Moll, und „Rain City“ zieht uns bereits mit den ersten Zeilen in ein Zimmer, in dem einst Gregor Samsa gehaust haben mag: „Opened my eyes/ Had a dream last night/ That both my arms were broken.“ Letzter Eindruck, tiefster Eindruck. Well done, kids.

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