Vic Ruggiero – Living in Sin/Understanding New Jersey

Bruce Springsteen weiß es bestimmt schon sehr lange, doch dieser Mann möchte es auch noch einmal sagen: „Es gibt die besten Mädchen in New Jersey.“ Weshalb Vic Ruggiero zum Auftakt dieses öfter ziemlich lustigen, aber doch definitiv zu langen 19-Song-Reigens auch gleich eine „Emelia“ mit diesem „adolescent smile“ um ihre Nummer anschnurrt. Oder eher: von der Seite anquatscht. Denn hier ist ein kleiner Hinterhof-Casanova am Werk. Der’s ja auch nicht immer einfach hat: Die Kotflügel-Romanze „Do You Good“ endet schon, bevor sie richtig angefangen hat. „She said it’s a drag to hang around with you.“ Und weiterhin gute Fahrt auch.

Ruggiero kennt man eher nicht als Sänger und Organisten der Ska-Combo The Slackers. Weil irgendwann „eine Menge Songs übrig“ waren, setzte er sich ohne Band, aber mit seiner Gitarre und etwas Schlagwerk in ein Studio und spielte diese so dahin, wie’s sein Notizbuch hergab. „Living Im Sin…“ lebt von diesem frech rumpelnden, flott knarzenden Ad-hoc-Charme, der Ruggiero als Vertreter prädigitalen Soundvergnügens ausweist. Eindimensional ist das nicht. Zwar wird der Mann als „One Man Rockabilly Freakshow“ angepriesen und auch der unvermeidliche, doch eher abwegige Verweis auf Johnny Cash darf nicht fehlen. Doch prototypische Boom-Tschaka-Nummern wie „Jimmy“, „The Cat“ und Junkie Parents“ sind hier nicht mal die halbe Miete. Das anrührende „Papa Told Me“ (nämlich wie das ist mit dem Glück und der Sünde) kommt als Quasi-Bossa-Schieber zur Geige. Im sehnsuchtsvoll verhallten und tremolierten „My Question“ klingt Ruggiero fast wie der bisher verschollene Zwillingsbruder von Garland Jeffreys, an anderer Stelle reicht’s glatt zum schrägen Cousin von Jonathan Richman (wie in „I Didn’t Think“). In „Out Of My Window“ weht eine Prise Hawaii vorbei und quaken Frösche bis zum Jersey Shore hinauf.

Am Ende entdeckt selbst dieser Romantiker den Pragmatismus. „I never love her but I’ll always be with her“, deklamiert Ruggiero in „Neatly“. Das Ganze klingt, als würde er von einer Punk-Band aus dem Transistorradio im Hinterzimmer begleitet. „Living in Sin/Under-Standing New Jersey“ wurde natürlich in New York aufgenommen. Von dort aus versteht man New Jersey (und seine Mädchen) bekanntlich am besten. Fragen Sie Bruce Springsteen.

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