Wire – Objekt 47 :: Reduzierte und präzise Klangmauern, gegenwärtig und zeitlos
Die Musik von Wire war immer mehr klassische Moderne als ordinärer Punkrock – minimalistisch, erhaben, funktional. Schon das puristische Cover des grandiosen Debüts „Pink Flag“ besaß nichts von der motzigen Kellerkinder-Attitüde, die man bei Bands wie The Adverts oder Slaughter And The Dogs fand. Kein Bierspucken, kein Trash-Kult, nur das Wesentliche und pure Intensität.
„Objekt 47“ profitiert noch immer von dem vor über 20 Jahren formulierten Konzept musikalischer Reduktion zugunsten einer gesteigerten expressiven Kraft. Die neun Stücke besitzen fast alle ein nicht zu stoppendes Vorwärts-Streben, ohne Verzierungenund unnötige Ausschmückungen. Colin Newman veröffentlicht ja seit 1993 auf dem Label „Swim“, das er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Malka Spiegel betreibt, auch Minimal-Techno.
Newmans Stimme klingt noch immer sägend und beruhigend zugleich. Schlagzeuger Robert Gotobed, der ja schon seit einer ganzen Weile wieder mit dabei ist, hat seinen erfundenen Nachnamen abgelegt und heißt jetzt schlicht Robert Grey. Noch immer bildet sein metronomisch präziser Beat das Fundament, auf dem sich die Gitarren von Newman und der Bass von Graham Lewis zu lärmenden Klangmauern auftürmen.
„Hard Currency“ basiert auf einem Basslauf, der entfernt an Massive Attacks „Safe From Harm“ erinnert, und hinter dem eine aus extrem verzerrten Gitarren bestehende Gewitterfront heranstürmt, die immer größer und mächtiger wird. Das darauf folgende „Patient Flees“ klingt dagegen langsam und schwankend—hier fehlt eindeutig der Biss. „Are You Ready“ besteht ausschließlich aus Fragen, mit denen Newman um sich wirft: „Are you doomed to succeed, are you happy to fail?“
Und zum Schluss haut das Trio dann mit „All Fours“ noch einmal richtig auf die Kacke, wie seit „154“ nicht mehr. Und man versteht, dass es Wire schon immer darum ging, Unsicherheiten, Brüche und Ängste abzubilden, wo andere Bands nur die Faust in die Luft recken und Slogans brüllen. „All Fours“ ist grandios gegenwärtig und dennoch absolut zeitlos. Rockmusik ohne Pathos, Lärm ohne Befreiungsgestus – makellos. Noch mehr Songs wie diesen, aber auch „Perspex Icon“ und das atemberaubende „One Of Us“, und Wire wären wieder auf dem Olymp ihrer ersten drei Alben. Die Richtung stimmt auf jeden Fall.