ZE Records – ZE Records 1979-2000

Es gibt Musik, die ist sexy, aber strohdumm. Und es gibt Songs, die vor Kunstbeflissenheit und intellektuellem Anspruch kein Bein auf den Boden bekommen. Das New Yorker Label ZE Records dagegen wusste schon in den ganz frühen Achtzigern, die hier dokumentiert sind, wie man Kopf und Hintern gleichzeitig zum Tanzen bringt: „Teil Me That I’m Dreaming“ von Was (Not Was) ist ein brodelndes Disco-Funk-Rock-Amalgam; James White & The Blacks reanimieren „Contort Yourself“, die No-Wave-Disco-Jazz-Hymne der Vorgängerband The Contortions und Alan Vega zeigt sich mit „Juke Box Baby“ genauso, wie ihn Lydia Lunch in Thurston Moores lesenswerten Buch „No Wave“ bezeichnet: „ein pervertierter Puertoricaner, Elvis-Presley- und Acid-geschädigt“.

Der französische Kunststudent Michel Esteban und der britische Journalist Michael Zilkha gründeten das Label ZE Records 1979 in New York. Während in London Punk und New Wave bereits in verwertbare Formate gegossen wurden, herrschte im von der Mittelklasse verlassenen Manhattan noch ein ungebrochener Experimentier-Geist. Zwischen CBGB’s, Paradise Garage und den Downtown-Galerien, in denen Künstler wie Jean-Michel Basquiat ausstellten, fand eine rege Wechselwirkung statt.

Esteban schreibt in seinen vorzüglichen Liner Notes, dass er den Begriff „Mutant-Disco“ damals viel reizvoller fand als „Post-Punk“. Und was waren das für seltsame Klone und Mutanten, die auf ZE veröffentlichten: August Darneils Broadway-meets-Disco-Revue Kid Creole & The Coconuts, die hier mit „Something’s Wrong in Paradise“ vertreten sind: Man hört förmlich die Eiswürfel im Glas schmelzen. Bill Laswells Material bringen mit dem von Nona Hendryx gesungenen „Bustin‘ Out“ einen kraftstrotzenden Electro-Funk-Entwurf ins Spiel.

Doch der größte Trumpf von ZE waren die aufregend unabhängigen Frauen. Lydia Lunch fehlt leider. Dafür gibt die mondänste Kunstfigur des Label-Universums, die Historikerin Cristina, das herrlich dekadente „Things Fall Apart“ zum Besten. Die wunderbar wandlungsfähige Lizzy Mercier Descloux hätte eine eigene Compilation verdient. Ihr 1979 entstandenes „Hard-Boiled Babe“ präsentiert die damalige Mitbewohnerin von Patti Smith als ziemlich halluzinogene Electronica-Vorläuferin: „A zombie polaroid of life in the Hollywood years of Dashiell Hammett and Lillian Hellman“, hieß es 2003 anlässlich der Ausgrabung des Songs.

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