Richard Hawley und „Cole’s Corner“: Dunkle Romantik und Pub-Poesie

„Cole's Corner“ ist eines der besten Alben des ewigen Romantikers Richard Hawley. Es ist auch eine schiefe Liebeserklärung an Sheffield.

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Wohl auch wegen seiner warmen, knarzenden Baritonstimme hat man Richard Hawleys Songkunst immer wieder mit gut gealtertem Whisky verglichen. Die tückische Metapher verrät, dass sein musikalisches Werk insgeheim doch etwas
unterschätzt wird.

Zwei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung erscheint „Coles Corner“ nun wie die goldene Mitte im Schaffen des wehmütigen Briten. Alles, was Hawley zu einem großen, dunklen Romantiker macht, ist in dieser ambivalenten Liebeserklärung an Sheffield enthalten.

Anders als bei Hawleys späteren Alben bleibt das Disparate ausgespart. Die Songs über Sehnsucht, verlorene Liebe und Orte, an denen man schmerzlich an sie erinnert wird, sind opulent und nahezu ideal ausbalanciert zwischen Chamber Pop und klassischem Croonertum.

Richard Hawley kann Kitsch und Nostalgie

Hinzu kommt diese ungeheuerliche Leichtigkeit des melancholischen Ausdrucks. Hawley domptiert den Kitsch wie Roy Orbison, der frühe Scott Walker oder jemand, der zu lange im Pub saß. Er richtet sich bei Songs wie „Just Like The Rain“ konsequent in seiner nostalgischen, urban-romantischen Stimmung ein, ohne je zu altmodisch oder aufgesetzt zeitlos zu wirken.

Mit „The Ocean“ gelang ihm damals der kurzfristige Einzug in die Radio-Playlists. Es ist bis heute sein strahlendstes Lied, wenngleich auf „Coles Corner“ vieles besser ist, etwa das bittersüß schwebende Titellied oder „Hotel Room“, eine elegante Stilübung in Country und klassischem Rock’n’Roll.

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Die Jubiläumsedition zum 20. Geburtstag enthält neben B-Sides und Akustikversionen eine Verneigung vor Hank Marvin (der Meister darf auch gleich mitspielen) und überraschende Coverversionen, darunter die sichere Cash-Bank „Long Black Veil“ und das gut durchgebügelte „Some Candy Talking“ von The Jesus And Mary Chain.

Marc Vetter schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.