Ricky Martin hat eine Tür aufgestoßen. Durch die Los Lobos auch gerne schlüpfen würden

Ricky Martin? Durchaus ein Thema auch für Louie Perez. Es fallt schwer, ihn Kopf von Los Lobos zu nennen, die doch gewiß mehrere Köpfe haben, ganz in der Tradition großer American Music-Bands wie Little Feat oder The Band, mit denen „die Wölfe“ aus East-LA. nicht zu Unrecht verglichen werden.

Da ist David Hidalgo, die melancholische Stimme der Band, Melodiengeber und Seele. Da ist Cesar Rosas, das propere R&B-Herz. Und da ist Perez, der als Drummer wegen schlechtem Timing im Studio seinen Thron seit „The Neighbourhood“ (’90) zunehmend für temposichere Sessionpros räumen mußte. Als Texter aber ist der Schmächtige unter den Kolossen unentbehrlich für Los Lobos. Und als intellektueller Vordenker; der etwa über die Philosophie des Avantgardisten John Cage ebenso zu referieren weiß wie über japanische Dichtung, erst recht.

Also Kopf unter Köpfen. Und was sagt Perez zu dem Phänomen Ricky Martin? Er sieht „zwei Seiten. Klar, viele sagen, das ist nur eine Mode, die vorübergeht Der Unterschied ist nun Die 35-40 Millionen Latinos in den USA, die jetzt endlich ein Identifikationsobjekt haben, werden nicht wieder verschwinden. Ricky Martin wird vielleicht verschwinden, aber er hat eine Tür aufgestoßen.“

Und durch die würden auch Los Lobos gerne schlüpfen. Hört sich paradox an? Ist es wohl auch. Waren sie nicht die Band, die schon 1987 mit dem Soundtrack zu der Filmbiographie „La Bamba“ dem frühen Latino-Helden Ritchie Valens ein Denkmal setzten? Ja, waren sie. Sie hatten sogar ihren ersten und einzigen US-No-1-Hit damit, hätten es sich hernach als bloße Party-Band bequem machen können. Taten sie aber nicht Mit „Kiko“ und „Colossal Head“ gewannen sie gar die Rock-Diskurs-Fraktion für sich. Just Another Band Front East L.A., wie 1993 der Titel ihrer „Best Of“-Kollektion tiefstapelte, waren Los Lobos eben nie.

Der Preis? „Es ist doch pure Ironie“, meint Perez, „daß eine Band wie wir kaum eine Gefolgschaft bei den US-Latinos hat Momentan läuft der große Crossover zum weißen Mainstream-Markt. Wir versuchen ein Crossover genau andersherum, zu den Latinos. Den Mainstream haben wir ja schon gehabt.“ Vbr diesem Hintergrund ist auch der jüngste Wechsel der Plattenfirma zu sehen: Das neue Album „This Time“ist ihr erstes bei Hollywood Records. Perez: „Deren Angebot hat uns besonders überzeugt, weil sie ihre Anstrengungen auch wieder auf den Latino-Markt legen wollen.“

Längst aber haben die Köpfe von Los Lobos ihre Fühler auch in andere Richtungen ausgestreckt, ohne das Fortbestehen der Band in Frage zu stellen. Rosas hat sich mit „Soul Disguise“ seinen Traum vom puren R&B-Solo-Album erfüllt, während Hidalgo und Perez mit den Latin Playboys exakt die andere, abstraktere Ausfahrt ansteuern.

Sehr fern scheint die Zeit, da Los Lobos ’83 mit „“And A Time To Dance“ die Barrios zugleich feierten und hinter sich ließen. „Es ist eine neue Generation da seit fünf, sechs Jahren“, sagt Perez. „Vorübergehend hatte die Szene dort ihre Identität verloren. Die jungen Bands von heute suchen eher den Austausch als wir damals, das ist der Unterschied. Der multikulturelle Aspekt ist viel stärker, es ist eine neue Stimme da, in der bildenden Kunst wie in der Musik.“ Da ist wieder Latino-Leben, auch jenseits von Ricky Martin.

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