Auf dass der Spaß niemals aufhöre!

Unser Kolumnist Rocko Schamoni findet eher wenig Freude an Olympia und ruft zum Girl- und Boykott auf

Immer wieder wundere ich mich, wie offensichtlich abgefuckt alles ist. Was wir bereit sind hinzunehmen, um unseren Standard zu halten und unseren Spaß zu haben. Unseren unendlichen Spaß, der nie aufhören darf. Das beste Beispiel sind internationale Sportgroßereignisse. Die werden mittlerweile nicht mehr von Demokratien veranstaltet, sondern mehrheitlich von Diktaturen, um ihr drecksstarrendes Image aufzupolieren. Um durch das fröhliche Lächeln von turnenden jungen Frauen und Männern von den Menschenrechtsverletzungen abzulenken, die dort täglich begangen werden. Die Führungsstruktur dieser Sportgroßereignisse ähnelt ihrem Wesen nach den Herrschaftsstrukturen der einladenden Länder, was seine Entsprechung bei der Eröffnung der olympischen Winterspiele auf der Ehrenbühne fand, dort standen nur zwei Personen: Chinas Herrscher Xi Jinping zusammen mit dem obersten Olympiachef und engem Putin Freund Thomas Bach (FDP). Man lauschte gemeinsam andächtig „Imagine“ von John Lennon – was für eine höhnische Blasphemie!

Bis jetzt sind laut einer Untersuchung von Amnesty International 15.000!!! Gastarbeiter bei der Vorbereitung der WM in Katar gestorben. 15.000!!! Das ist eine schier unglaubliche Zahl. Unterbezahlt, ausgebeutet und während der Arbeit unter ungeklärten Bedingungen verstorben. Tatsächlich erfahren die Familien von 70% der Verstorbenen nicht, wie ihre Verwandten ums Leben gekommen sind. Sie sind einfach weg. Dem Spaß der Anderen zum Opfer gefallen. Unserem unendlichen Spaß zum Opfer gefallen. Meiner Ansicht nach sollte so ein Großereignis bereits nach dem Tod nur eines Beteiligten abgesagt werden. Oder wenigstens nach dem Tod von Zehn. Aber 15.000? Die große Leichen-WM von Katar. Wer fährt denn da noch als Publikum hin, was sind das für Leute? Tyrannen, Psychopathen und Großwildjäger? Und was für eine Verantwortung tragen eigentlich Sportler in diesen Zusammenhängen? Schon klar, dass Olympia ein Ausnahmeereignis ist, eine seltene Chance die sportlichen Leistungen vor der ganzen Welt mit anderen zu messen und zu präsentieren. Aber müssen wir uns nicht angesichts der komplexen politischen Weltlage alle als politische Wesen begreifen und Stellung beziehen? Wenn die Sportler/innen schon nicht boykottieren, sollte nicht wenigstens ein Zeichen gesetzt werden? Mit Codes Position bezogen werden? Eine schwarze Armbinde beispielsweise könnte dem Gedenken der Toten bei der WM in Katar Rechnung tragen. Anstatt immer nur so zu tun, als wenn nie etwas geschehen wäre. Das ewig stupide Weitermachen ist das eigentlich Grausame daran. Denn entweder ignoriert es das Schicksal der Opfer, oder es ist sich dessen gar nicht bewusst. Maximale Empathielosigkeit oder soziale Dummheit sind im Einsatz. IOC-Chef Thomas Bach (FDP) wendet sich strikt gegen einen Olympia-Boykott. Er betonte die politische Neutralität von Olympia. „Wir können unsere Mission nur erfüllen, wenn die Olympischen Spiele über allen politischen Differenzen stehen. Die Spiele dürften nicht zu einem Werkzeug werden, um politische Ziele zu erreichen.“

Müdes Lachen. Wie zynisch und kalt das aus seinem Mund klingt. Bach (FDP) versucht den Anschein zu erwecken, als wenn der Sport moralisch erhaben sei und über den Niederungen der Politik schwebend um jeden Umstand abgehalten werden müsste. Aber gerade durch die unkritische Haltung der Beteiligten werden die Spiele zu einem Werkzeug, um politische Ziele zu erreichen. Nämlich zum Werkzeug der Machthaber der Gastgeberländer, die auf Menschenwürde und einzelne Schicksale buchstäblich scheißen. Ich rufe also zum sofortigen Olympia Boykott – und ausdrücklich auch Girlkott – auf! Boys und Girls – fahrt nicht nach China und besucht die Spiele! Abgesehen davon, dass sie Euch sowieso nicht reinlassen würden – fahrt dort nicht hin! Fahrt auch nicht nach Katar. Es könnte sein, dass ihr unter ungeklärten Umständen verschwindet. Obwohl – die Sorge müsstet Ihr Euch nicht machen – ihr seid ja Deutsche.

Nachsatz zu Thomas Bach (FDP): Er besitzt seit Juli 1994 den Diplomatenpass der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt ihn, um „ein besonderes deutsches Interesse“ beim IOC zu verfolgen, obwohl dieses den IOC-Mitgliedern in der eigenen Satzung verboten ist. Der Pass wurde seitdem mehrmals verlängert. Das Auswärtige Amt konnte dies im Nachhinein nicht begründen.

Schallendes Gelächter von den billigen Plätzen.

Applaus aus den Logen.

Autorenbild von Kerstin Behrendt

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates