Selbstversuch im Studio

Manchmal kann Isolation durchaus nützlich sein: Das bayrische Land- leben half den Ingolstädtern SLUT bei ihrem künstlerischen Reifeprozess

Es ist für die Betroffenen ein spannender Moment: Mit ihrem dritten Album macht die Ingolstädter Formation Slut die eigene Musik zur Profession. „Ich spüre schon den Druck, jetzt irgendwie ständig kreativ sein zu müssen“, bekennt Sänger und Gitarrist Christian Neuburger, „nichtsdestotrotz steht unser Entschluss fest“

Ein wohl nicht risikoloser Schritt für eine deutsche Combo, die musikalisch nicht den ganz breiten Geschmack anvisiert. Auf ,JLookbook „stoßen sich Slut ab von den Ufern allzu gegenständlicher Klänge und wagen den musikalischen Selbstversuch. „Wir hatten im Studio irgendwann einen Zeitpunkt erreicht, an dem wir genug Lieder hatten. Danach haben wir uns bemüht, keine mehr zu schreiben.“ Jetzt hatte der Moment das Sagen; jenseits des – einst als grundsätzlicher Wert verstandenen -traditionellen Songwritings nutzten Slut den Studioaufenthalt, um auf die Inspiration zu warten und Fragmente zu verbinden. „Das heißt ja nun nicht, dass wir gar nicht mehr normal komponieren würden“, beschwichtigt Neuburger vorsichtshalber, „aber wir haben schon neue Techniken probiert.“ So dekonstruieren die Ingolstädter nun fleißig den Proberaum und verlagern die eigene Gabe sukzessive in das Medium – moderates Apparatfiepen und allerlei alternative Attitüden retten Sluts eigentlich retrospektive Pop-Traurigkeit britischer Provenienz in die Gegenwart.

„Im Grunde sind wir musikalisch in den letzten 40 Jahren zu Hause“, wehrt sich Neuburger gegen allzu klare Orientierung in stilistischen Dingen, findet aber auch unter Zeitgenossen Gleichgesinnte. „Die Umsetzung von Melancholie bei Radiohead ist uns schon verständlich“, sagt er wie gedruckt, und das kann man wehmütigen Jünglingsliedern wie „Welcome 2“, das Slut für die Verfilmung von Benjamin Leberts lieber Pubertätsstudie „Crazy“ beisteuerten, ja anhören – bei allem Mut zum Eigenklang taugen Slut sehr wohl für die Heavy Rotation der Musikkanäle, und so gastieren die Ingolstädter momentan von Viva 2 bis „Bärbel Schäfer“ bei allerlei bundesdeutschen TV-Anstalten.

„Wir hätten dieses Album in einer pulsierenden Großstadt wie München nicht machen können“, beschwört Neuburger die bayrische Provinz als inspirierendes Moment. „Als Band brauchen wir möglichst viel Abgeschiedenheit und Ruhe.“ Eben die finden die vier begabten Landbuben seit einigen Jahren in einem Schloss im Ingolstädter Vorort Westerhofen, das Slut als Wohnraum, Probeort und Studio dient Die Vorstellung der Künsderkommune als kreative Idylle entspreche in diesem Fall sogar der Wahrheit, sagt der Sänger. „Es ist großartig, in solcher Umgebung autark unsere Musik entwickeln zu können.“

„Seriös“ müsse die sein und „reflektiert“, betont der studierte Architekt „Schließlich kommt die Musik von uns, und da wäre sie ja wesensfremd, wenn wir ab Menschen in ihr nicht vorkämen.“ Die Introspektion und Melancholie auf JLookbook“ erlaubt also einen Blick in die Seele des Künstlers? ,Ja, sicher. Trotzdem sind wir nun nicht weltfremde Grübler, die vorm Kaminfeuer Schopenhauer lesen.“ Als wäre das etwas Schlimmes.

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