Singer-Songwriter Hozier: Die neue Zauseligkeit

Ein blasser, schlaksiger 24-Jähriger aus Dublin gibt sich als Zausel und erfüllt in jeder Hinsicht das Klischee eines Folk-Barden. Und doch ist Hozier derzeit einer der interessantesten Sänger seiner Generation.

Der Hit „Take Me To Church“ dudelt momentan durch offene Autotüren, Radiosender und Spotify-Werbeblöcke. Bei den Einflüssen von Gospel und der souligen Stimme des Sängers hat man das Bild eines drallen schwarzen Mannes vor Augen, vielleicht aus einer Chicagoer Jazz-Kneipe. Bemerkenswert, dass sich dahinter Andrew Hozier-Byrne verbirgt, ein blasser, schlaksiger 24-Jähriger aus Dublin, der mit Holzfällerhemd, Wuschelkopf und dem Zwei-Mal-sieben-Tage-Bart in das Klischee des Folk-Barden passt: je zauseliger, desto unverfälschter.

Aber man würde Hozier Unrecht tun, wollte man ihn mit rührseligen Gitarrenjungs vergleichen. Allein seine cremige Über-Stimme dringt durch das Ohr und bleibt im Kopf hängen. Es verwundert kaum, dass der Sohn eines Blues-Musikers Legenden wie John Lee Hooker, Billie Holiday oder Aretha Franklin zu seinen Inspirationsquellen zählt. „Ich krabbelte noch, da hörte ich der Musik zu, die mein Vater zu Hause mit seiner Band spielte, um für Auftritte in Bars zu proben. Bluesmusik fühlt sich an wie meine Heimat.“ Und den Klassiker „The Blues Brothers“ guckte der kleine Andrew lieber als jeden Disneyfilm.

Blue-Eyed Soul-inspirierter Southern Gothic

Sein Folk ist geprägt von einer Auseinandersetzung mit der Religiosität seiner Heimat Irland. In seinen Texten thematisiert Hozier Spiritualität, der Chorgesang wattiert seine Warme-Milch-mit-Honig-Stimme. Drei Jahre Mitgliedschaft im international bekannten klassischen Chor „Anúna“ haben offenbar Spuren hinterlassen. Er selbst würde seine Stil-Melange als „Blue-Eyed Soul-inspirierten Southern Gothic“ beschreiben. „Die Sängerin Cold Specks finde ich großartig. Sie nennt ihre Musik Doom Soul. Eine tolle Bezeichnung.“

Hozier brach sein Musikstudium nach einem Jahr ab, um Demos für Universal einzuspielen, bevor er im letzten Jahr mit seiner Debüt-EP Aufmerksamkeit erregte. Während er früher jahrelang allein auf dem Dachboden tüftelte, vagabundiert er nun von einem Festival und Promo-Termin zum nächsten. Nach seiner zweiten EP „From Eden“ veröffentlichte Hozier gerade sein erstes Album. Zudem wird er weltweit auf Tournee sein – „bis Gott-weiß-wann“: „Ich hatte keine Vorstellung davon, wie hektisch das Tourleben sein würde. Man hat gefühlt 20 Minuten Zeit am Tag für sich – und in denen beantwortet man Mails. Dieser Job ist mein Traum. Aber ich bin die ganze Zeit müde!“ Lächelnd schiebt er eine Haarsträhne hinters Ohr. Seine feingliedrigen Hände fallen auf.

Ein bescheidener Überflieger

Hoziers Texte sind durchdacht, „Take Me To Church“ etwa ist eine Hymne gegen Diskriminierung von Homosexuellen in Russland. Als politischer Aktivist sieht sich der Singer-Songwriter allerdings nicht. „Meine Songs sind eine Reflektion, wie ich unsere Gesellschaft und die Welt wahrnehme. Offensichtlich gibt es politische Kommentare in einigen Songs. Aber ich mache daraus keine Mission.“

Hozier, der Überflieger? Er gibt sich bescheiden. „Ich denke viel darüber nach, warum ich nun diesen Erfolg habe. Ich war beharrlich und hatte zudem Glück. Ich ging davon aus, dass es zehn Jahre dauern würde, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Aber mit einem Debütalbum ist man noch kein erfolgreicher Musiker. Ich habe noch so viel mehr vor: ein zweites Album, Duette …“ Er spricht sanft, gibt freundlich Auskunft, bedankt sich mit Küsschen-links-Küsschen-rechts. Mit dieser Stimme und diesem eindringlichen Songwriting könnte er seine Pläne verwirklichen.

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