So richtig psychedelisch

Mit seinem Multimedia-Spektakel "The Trip" erfüllt sich Frank Otto einen Jugendtraum - auch wenn die Ingredienzien inzwischen arg angestaubt sind

Es gibt Trips, die können verdammt lange dauern. In Frank Ottos offensichtlich besonders schwerem Fall wirkt die Droge Musik nun schon seit mehr als vier Jahren. Den vorläufigen Höhepunkt seiner multimedialen Reise bildeten die diesjährigen Filmfestspiele in Cannes, wo er ausgerechnet in der Höhle des Löwen blutrünstigen Edelfilmkritikern das Ergebnis seines Experiments als Live-Performance vorstellte. Da zerzauste ein kräftiger Seewind die Frisuren der am noblen Majestic Beach Champagner schlürfenden Gäste, während Frank Otto im weißen Anzug und mit wehender Mähne auf seine Perkussionsinstrumente eintrommelte, als wolle er die Wettergötter besänftigen. Dazu flimmerten von diversen Leinwänden Filmsequenzen, bei deren Betrachtung man sich auch ohne die Einnahme illegaler Substanzen wie in einem ausgewachsenen Rausch fühlte.

Zum Interview am Morgen danach erscheint er leicht zerknittert, aber erstaunlich euphorisch — immerhin ging die feuchtfröhliche Premierenfeier erst um sieben Uhr morgens zu Ende. „Das Adrenalin macht’s möglich“, erklärt er vergnügt. Trotz seiner beinahe 50 Jahre wirkt er immer noch wie ein etwas zu groß geratener Hamburger Junge. „Wir sehen uns ein bisschen als Gegenveranstaltung zu Cannes“, erzählt er.

„Denn wir verstehen uns nicht so sehr als Filmprojekt im cineastischen Sinne, bei uns steht die Musik im Vordergrund.“

„Trip“ bedeutet für den Sohn des Hamburger Versandhauskönigs Werner Otto auch eine Reise zurück in seine Jugend. Und die war durchaus rebellischer, als man sie dem Medienunternehmer auf den ersten Blick zutraut.

„An der Kunsthochschule ist es egal, wer dein Vater ist“, erinnert er sich. „Da bist du entweder gut oder schlecht. Da nützt dir dann kein Geld der Welt. Ich bin mit Gleichaltrigen auf Demonstrationen gegangen, statt mit Schlipsträgern an einem Tisch zu debattieren.“ Und auch wenn er später als Herausgeber von Tageszeitungen und Programmdirektor von Radiostationen letztendlich den eher konventionellen Weg einschlägt – in seiner rebellischen Ader brodelt immer noch das subversive Blut des Hausbesetzers.

Entstanden sei „Trip“ aus seinem mitunter unbetriedigenden, weil reglementierten Engagement im Medienbereich. „Da habe ich gelernt, dass es in nicht um meinen eigenen Geschmack geht, sondern dass ich in erster Linie Dienstleister bin“, bilanziert er nüchtern. „Das wird natürlich von einigen Menschen sehr kritisch gesehen – und ich zähle mich sogar selbst zu diesen Menschen! Das ist sicherlich ein wenig paradox: Einerseits produziere ich diese Medienrealität und dann kritisiere ich sie. Und da ich mich eigentlich als Künstler verstehe, hatte ich das Gefühl, dazu Stellung beziehen zu müssen. Ich wollte in diesem Zusammenhang ganz bewusst Musik machen, die aus den Formaten ausbricht. Ich wollte Menschen, die Lust haben, sich darauf einzulassen, mit auf eine Reise nehmen.“

Mit seinem Komplizen Bernt Köhler-Adams komponierte er 14 Songs, die sich irgendwo zwischen Weltmusik und gutem alten Krautrock bewegen. Bereits das Intro blubbert unheilvoll aus den Boxen, und auch Titel wie „Gamma Ray“ und „Arabian Reggae“ oder Booklet-Zitate von Jimi Hendrix und Grateful Dead sind deutliche Indizien: Hier waren gut gelaunte Alt-Hippies am Werk. „Ich wollte halt mit verschiedenen Stilen meine unterschiedlichen Gefühle ausdrücken“, rechtfertigt Otto die kaleidoskopartige Vielfalt der Kompositionen. „Um das den Zuhörern verständlicher zu machen, entstand die Idee, Bilder dazu zu zeigen. Bei den Dreharbeiten wurde dann schnell klar: Mit einem Film können wir unser Anliegen gar nicht ausdrücken. Also machten wir verschiedene Filme, um die Individualität des Betrachters zu berücksichtigen. Und der muss sich nun entscheiden, wo er gerade hinsehen will. Am Ende ist er selbst Regisseur und stellt sich seinen eigenen Film zusammen.“

Irgendwann waren es dann 12 Musiker und 36 Filmemacher, aus ganz unterschiedlichen Genres, vom Dokumentarfilmer bis zum Videokünstler, die zum „engeren Zirkel“ gehörten – „wir haben einfach angefangen, und dann stießen immer mehr Leute dazu“. Um die überbordende Fülle des Materials präsentieren zu können, teilte man die Leinwand in 16 Splitscreens auf, auf denen nun parallel Bilder aus den Themenbereichen Unterwasserwelt, Berliner Untergrundbahn, Dritte Welt und Frank Ottos malerischer Interpretation des Märchens der „Kleinen Seejungfrau“ um die Wette laufen. Eine harte Bewährungsprobe für Augapfel und Aufnahmefähigkeit, selbst für Menschen, die mit schnell geschnittenen Videoclips groß geworden sind.

Wer nun meint, Frank Otto habe für die kommenden vier Jahre erst einmal genug von Trips jeglicher Art, irrt sich gewaltig. Nach seiner „Trip“-Live-Performance-Tour, die im August und September quer durch Republik führt, würde er den Traum am liebsten nahtlos weiterleben. Er habe schon jede Menge neue Ideen, versichert er, dazu funkelt die Begeisterung eines Besessenen aus seinen Augen. „Das ist ein sehr polarisierendes Projekt“, weiß er. „Aber über den Zuspruch war ich trotzdem sehr überrascht. Es kamen wildfremde Menschen auf mich zu, um mich zu beglückwünschen und mir zu erzählen, wie intensiv sie den Abend erlebt hätten. Das tat richtig gut.“ Und das ganz ohne Nebenwirkungen.

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