Southside-Festival – Neuhausen Ob Eck

40000 Besucher beim Southside-Festival sahen trotz der absage von David Bowie gute Headliner - die Höhepunkte gab es allerdings nur für die Frühaufsteher.

Die Momente eines Festivals, die einem in Erinnerung bleiben, sind nicht zwangsläufig die großen Performances der Künstler, für die man angereist ist Meist spielt sich das Erinnernswerte nicht auf der Bühne, sondern zwischen Zeltplatz und Konzertareal, zwischen Schlafen und Wachen ab.

Nach einem langen Abend mit Zelt- und Parkplatzsuchen, beschallt von Tomte, den Hippiekindern vom Black Rebel Motorcyde Club, die ihre Amps in die Luft jagten, und allerlei HipHop, wird man am nächsten Mittag von einer breitbeinigen Stimme des Kindermetal (Breed 77? Backyard Babies?) geweckt: „It’s so fucking early.“ Während sich die Wohnmobilgenossen nur einmal umdrehen und den Schlaf der Gerechten weiterschlafen, macht man sich schlaftrunken auf die Suche nach einer Tasse Kaffee, einem Bagel und der Neuen Zürcher Zeitung und landet schließlich mit einer lauwarmen Latte Macchiato und einem klebrigen Gebäckstück vor der Hauptbühne, wo eine Band spielt, bei der jede Anmoderation mit den Worten „We’re living in a generation that“ beginnt – den Rest hat man vergessen. „Are you Germans having fun?“ ruft am Ende einer von der Bühne.

Das sollte noch ein bisschen dauern. Am ehesten stellt sich der noch bei den robusten Schweden von Mando Diao ein, die schon jetzt die besseren Hives sind. Gewartet haben die meisten allerdings auf die Pixies, was man schon an den vielen Pixies-T-Shirts erkennen kann, die sich – samt Inhalt – mit einer Latte Macchiato in der Hand übers Festival-Gelände schleppen.

Um 22 Uhr schlurfen dann endlich drei kahlgeschorene Männer, von denen einer sehr beleibt ist und sich neuerdings Frank Black Francis nennt, und eine nicht weniger rundliche Dame, die früher mal der Schwarm aller Indie-Jungs war, auf die Bühne und werfen sich ohne Umschweife in „Bone Machine“. Es war nicht das euphorisierende Konzert einer heiß geliebten Band, die man altersbedingt zum ersten Mal live erleben konnte, man kam sich eher vor wie der Besucher einer Bauhaus-Ausstellung an einem kühlen Oktobertag. Die Schnörkellosigkeit und Dichte des Werkes bewundernd. Nach einer Stunde ohne Pause bleiben die Pixies eine halbe Minute lautlos auf der Bühne stehen, um dann gleich mit den Zugaben fortzufahren. Kim Deal stellt schließlich die Verbindung zwischen cooler Kunst und bierseligem Festival her: „I saw all you penises today when you were peeing on our tour bus.“

Die Theatralik von Placebo wirkt danach wie Puppentheater. Kasperle Brian Molko ist in Hochform und widmet „Without You I’m Nothing“ dem kurzfristig erkrankten David Bowie.

Der letzte Tag des Southside beginnt ungleich verheißungsvoller als der vorherige. Graham Coxon nimmt einem schon zur Mittagszeit den Atem. Er erinnert tatsächlich an einen kleinen Jungen, der vor dem Spiegel Luftgitarre spielt und Rockerposen übt Die wenigen Frühaufsteher, die Zeuge dieses Höhepunkt werden, tapsen den Rest des Tages mit einem erleuchteten Lächeln übers Gelände.

Ebenfalls herzwärmend war der Auftritt von den Bright Eyes. Doch die Aufführung einiger neuer Songs fand ebenfalls fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, denn zeitgleich spielten auf der Hauptbühne Franz Ferdinand, die die Mädchen (und nicht nur die) auch bei Tageslicht zum Tanzen brachten. Furios vor allem ihr bester Song „Matinee“.

Tänzelnd betritt auch Jeff Tweedy die Bühne, zu „Hummingbird“ tippelt er sogar ohne Gitarre vor den im Regen Ausharrenden. Die entrückten Songs von „A Ghost Is Born“ zaubern gar einen Regenbogen übers Festivalgelände. Das feingewebt groovende „Spiders (Kidsmoke)“ verzückt einen dermaßen, dass man PJ Harvey auf der Hauptbühne ganz vergisst und am Ende nur noch einen kurzen Blick auf ihre Garderobe werfen kann – irgendwas Grünes, Kurzes, mit dem eigenen Antlitz drauf.

Das Antlitz von Robert Smith erinnert dann am späten Abend stark an einen ziemlich unausgeschlafenen Oscar Wilde. Sound und Songauswahl von The Cure sind leider ähnlich teigig wie die Smithsche Physiognomie. Fünf Stücke von „Disintegration“ immerhin, vier neue Songs, nichts von „Bloodflowers“, von „Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me“ nur „Just Like Heaven“, als Zugabe Stücke aus dem Frühwerk: „M“, „Play For Today“ und „A Forest“ – schön für Fans, aber viele Besucher hatten sich schon aufgemacht, ihre Zelte abzubauen und die letzten Würstchen ZU grillen.

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