Tatort ‚Eine andere Welt‘: alles mit Habgier, Porno-Erwartung und Suff erklärbar

Im "Tatort: Eine andere Welt" gibt Jörg Hartmann wieder den Soziopathen in einem Klischee-Ambiente. So einer wie er wäre längst in der geschlossenen Abteilung.

Jörg Hartmann glaubt, man könne seinen Kommissar Peter Faber erst „beim dritten Hinsehen“ verstehen und mögen. Am Sonntag haben wir zum dritten Mal hingesehen, aber weder Verständnis noch Sympathie stellen sich ein. Ist schon klar: Faber hat seine Frau und seine Tochter verloren, und nun verdichten sich die Hinweise darauf, dass es kein Unfall war, sondern Mord. Deshalb läuft Faber mit irrem Blick herum und schlägt gegen Wände. Deshalb würgt er seine Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) und die Leiche des Mädchens Nadine, die sich in seiner Fantasie für einen Sekundenbruchteil in die tote Tochter verwandelt. Deshalb sagt er immerzu „ficken“ und „vögeln“ und provoziert die Verdächtigen. Deshalb sitzt er stundenlang schweigend und biertrinkend mit dem entrückten Vater des Opfers auf dem Balkon einer Mietwohnung und zeigt ihm später die Fotos seiner Liebsten. Und deshalb zieht er niemals seinen Parka aus.

Der „Tatort: Eine andere Welt“ ist der zweite Teil des Fernsehfilms „Komatrinken“, der kürzlich gezeigt wurde, ebenfalls geschrieben von Jürgen Werner. Auch diesmal geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die in hormonellen Wirren prahlen, poussieren und saufen, sich dauernd mit dem Handy filmen und Fotos verschicken. Nur der Mord wurde leider nicht dokumentiert. Während Faber und die die frustrierte Bönisch bei den Proleten-Eltern ermitteln, schleichen sich die Junior-Ermittler Dalay (Aylin Tezel) und Kossik (Stefan Konarske) bei den fast Gleichaltrigen ein. Merkwürdigerweise ist die gesamte Clique reich – bloß das Opfer musste die teuren Kleider der angeblichen Freundin auftragen. Diese bemützte und behornbrillte Ausgeburt des Drehbuchs neidete dem armen Mädchen schließlich sogar den freudlosen Geschlechtsverkehr, so eifersüchtig war sie.

So deprimierend die simple Auflösung zwischen Sperma, Blut am Poller und Ertrinken schließlich ist, so hilflos tapern die Schauspieler durch die Laienspielszenen mit holzgeschnittenen Dialogen. Der Jargon der Pubertierenden stimmt so wenig wie die sogenannte Lebenswirklichkeit, wenn Mädchen nichts Eiligeres zu tun haben, als sich als Flittchen zurechtzumachen, und ein 16-jähriger Schüler als schmieriger Barbesitzer von Papas Gnaden auftritt. Kommissarin Bönisch wartet im Hotel auf einen Gigolo, überlegt es sich diesmal aber anders. Und Aylin Tezel gibt die kokette Göre.

Früher hatten die dysfunktionalen Mädchen und gescheiterten Dirnen im „Tatort“ wenigstens noch eine Sehnsucht oder ein Geheimnis – heute ist alles mit Habgier, Porno-Erwartung und Suff erklärbar. Ein durchgedrehter Soziopath als Kommissar wäre nur dann glaubhaft, wenn er innerhalb des Systems noch funktionieren würde. Jörg Hartmann aber wäre längst in der geschlossenen Abteilung.     

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