The Strokes – Is This It

Punkte: 171

This Is It. Der Messias. Wie der Punk kam, um den abgehobenen Progrock zurück aufs Kopfsteinpflaster krachen zu lassen, kam das Garage-Revival, um den seelenlosen NuMetal-Hochglanzposern das Maul zu stopfen. Aus den USA ließen die (dem Downloadzeitalter trotzenden) unglaublichen Kommerzerfolge von Limp Bizkit, Linkin Park, Kid Rock, Papa Roach, Puddle Of Mudd und erst recht der Neokonservatismus vertonenden Creed den Glauben an das Gute verlieren. Cool Britannia war seit dem Summer of’96 im Reha-Zentrum und vertrug dort katerbedingt nur die leiseren Töne von Starsailor, Travis und Coldplay. In Deutschland kündete Big Brother Christian über neun Wochen von der Spitze der Singles-Charts von der Geilheit, ein Arschloch zu sein. Big Brother Zlatko vermisste uns wie die Hölle. Und dann war da noch der Anton aus Tirol mit seinen gigaschlanken Wadeln.

Irgendeine höhere Macht hatte ein Einsehen und schickte eine Rockband wie aus dem Bilderbuch auf Erden nieder: The Strokes. Und als ob dieser schmissige Name nicht schon gut genug gewesen wäre, trugen die Mitglieder auch noch die fast schon unglaubwürdig coolen Namen Julian Casablancas, Nick Valensi, Albert Hammond Jr., Nikolai Fraiture und Fabrizio Moretti. Jeder dazu ein Traummann. Alle um die 20. Aus der Stadt der Städte, New York. Der Idealtypus einer Band. Irreal. Fantastisch. Ach ja, und Musik hat sie auch noch gemacht, diese Boyband in gut. Ungestüme und dennoch traditionsbewusste (man vergleiche „Last Night“ mit Iggy Pops „Lust For Life“ und Tom Pettys „American Girl“, den Titeltrack mit „Where Is My Mind?“ der Pixies), intime und dennoch unerreichbare. Klassischer Garagenrock, gereift durch die Erfahrungen von Grunge und Britpop. Elf Songs, jeder davon eine potentielle Single.

Doch Singles gab’s außer „Hard To Explain“ im U.K. keine. Zumindest nicht zunächst. Erst mit dem Hype um das Album koppelte die Plattenfirma „Hard To Explain“ weltweit und dann „Last Night“ und „Someday“ aus. Videos wollte die Band auch keine drehen. Verweigerungshaltung rocks! Wenigstens rotierte dann noch ein Live-Clip von „Last Nite“ als Kompromisslösung von Label und Band auf den damals noch – überhaupt oder zumindest als Musikfernsehen – existenten Kanälen Viva Zwei und MTV. Für die Band war mit der Veröffentlichung des Albums alles gesagt, eben auch optisch. Das Cover: Weißer Damenpo mit schwarzem Edelhandschuh drauf. Sofort für immer erinnerbar, als Poster Standarddeko in Studenten-WGs und dazu noch eine Anspielung auf den nie gesehenen Titel von Spinal Taps fiktiver Platte „Smell The Glove“. Den USA wurde das allerdings vorenthalten, dort bekam man eine bizarre Partikelkollision zu Gesicht. Auch schön, aber eben nicht the real thing.

The Strokes waren Instant-Ikonen. Das war auch der Konkurrenz bewusst. Und dann kamen sie alle oder wurden nach oben gespült: The Killers, The Vines, The Hives, The Libertines, The Sounds, The Subways, The Kills, The Black Keys, The Things, The Von Bondies, The Young Knives, The Zutons, The Sons, The 5.6.7.8’s, The Raconteurs und natürlich deren Ursprungsband The White Stripes, etc. „The-Band-Sound“ wurde zur Genrebezeichnung. Doch auch ohne „The“ garagenrockte die Jugend ab 2001: als Mando Diao und deren Mini-Version Sugarplum Fairy, als Arctic Monkeys, als Franz Ferdinand, als Babyshambles, als Dirty Pretty Things, als Jet, als Yeah Yeah Yeahs, als Liars, etc. Überraschenderweise waren die wenigsten davon auswechselbare Trittbrettfahrer. Man musste kein Connaisseur sein, um beispielsweise die Yeah Yeah Yeahs in Sekundenschnelle von den Babyshambles unterscheiden zu können.

Das Gute hatte gesiegt. Vorerst. Doch sei auf der Hut, Welt! Fast zehn Jahre danach headlinen Limp Bizkit wieder die größten deutschen Festivals. Auch den Guano Apes, Papa Roach und Staind wurden gute Plätze im Line-up versprochen. Kid Rock „schreibt“ den Sommerhit des Jahres. Die mittlerweile über dreijährige Auszeit der Strokes macht sich bemerkbar. Kommt zurück! Oder wir stehen einem ähnlich jämmerlichen Jahrzehntwechsel wie dem letzten bevor. Your disco needs you.

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