The White Stripes – München, Zenith

Ein Strauß rote Posen Auf ihrer Deutschland-Tour simulieren The White Stripes zu zweit die große Rock'n'Roll-Show - und sie begeistern damit sogar das Headbanger-Publikum

Das Konzert erinnert einen noch einmal daran, was für ein Verpackungswunder diese Band immer war: Sie hat außen bunte Streifen und lustige Gesichter, lockt kleine Kinder an, aber was drin ist, schmeckt grobkörnig, heiß und bitter. Ein White Stripes-Auftritt fühlt sich an, als ob man anderthalb Stunden lang mit einem Holzpflock eins auf den Kopf bekommt und dazu mit Nägeln gepiekst wird. Keine Subtilitäten, obwohl Jack und Meg als Figuren so hinreißend poppig sind – was ja der einzige Grund ist, warum sie eine solche 5000-Leute-Halle vollkriegen. Schön! Man findet hier wohl keinen, der sich wirklich für alten Blues und Platten mit 78 Umdrehungen interessiert. Die jungen Leute, die von der Jack Whiteschen Kampagne für wahre Musik berührt wurden, kommen sicher nicht in diese Vieh-Halle, sie sitzen daheim und ärgern sich noch, daß es das letzte Stripes-Album nicht auf Vinyl gibt. Am Merchandising-Stand wird ein unglaublicher Mini-Plattenspieler angeboten, komplett mit exklusiven White Stripes-Singles. Längst ausverkauft.

Stattdessen: Alle Metallica-Tour-T-Shirts der letzten zehn Jahre werden vom Publikum vorgeführt, auch die „Turbojugend Pfaffenhofen“ hat Vertreter entsandt. Neben den nicht überraschenden Indie-Typen haben die White Stripes offenbar eine gewaltige Heavy-Metal-Klientel – Leute, die gewöhnlich ein gesundes Mißtrauen gegen alles haben, was zu ironisch daherkommt. „Blue Orchid“ als Kickstart erklärt alles, mit dem Riff, das wie ein großer, gefräßiger Rasierapparat ist: Das einzige, was an den White Stripes im Konzert ironisch sein könnte, ist, daß Jack White einen Hut aufhat. Und vielleicht der angebissene Apfel, der im Hintergrund hängt und als Sonne fungiert. Sie haben zum ersten Mal Dekoration dabei, weil die Bühnen mittlerweile viel zu groß sind für nur zwei Leute.

Die Ohren müssen sich erst an das unheilige Gewummer gewöhnen, die Halle (beim Münchener Publikum notorisch unbeliebt) ist nicht gut für die Musik, und die White Stripes nehmen keine Rücksicht. „Dead Leaves And The Dirty Ground“, „I Think I Smell A Rat“, wahrhaft uralte Stücke wie „Cannon“ und „When I Hear My Name“, die neuen Klavierlieder „My Doorbell“ und „The Denial Twist“, kein Verschnaufen, fliegende Wechsel zwischen den Instrumenten und Mikrophonen und vom Schlagzeug zu den Pauken und zurück. Hinten stehen die Marimbas: Kommen sie noch dran? Das zentrale Bild ist trotzdem Jack White, der Solitär, wie er wütend entrückt an seiner Gitarre hobelt. Wie das donnert und blitzt, wurde oft gesagt – aussehen tut es wie alte „Rockpop in Concert“-Sendungen, aus der Zeit, als es noch Star-Gitarristen gab.

Bis auf Weitermacher wie Clapton und Santana gibt es die heute nicht mehr im Mainstream, Jack White kommt dem noch am nächsten. Das Konzert ist wie ein Strudel, zieht einen immer weiter in sich hinein, je länger es dauert – aber wenn man dann einen Moment den Kopf aus dem tosenden Wasser steckt und zuschaut, wie ein Monsters-of-Rock-Moshpit zum Klang einer einzigen Gitarre auf-und abhüpft, ist es ziemlich lustig: Die zwei White Stripes simulieren ja nur den Auftritt einer richtigen Rockband, rufen aber dieselben Reaktionen hervor. Falls es hier einen Gag gibt, das ist er.

Die Marimbas spielt Jack White in der Zugabe, am Schluß wie immer „Seven Nation Army“ und „Boll Weevil“ von Leadbelly, absolut grandios. Als das Konzert vorbei ist, bemerken viele Zuschauer so komisches Zeug in ihren Haaren. Ja, so sieht Rockerschweiß aus.

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