„Ultra“ von Depeche Mode: Das Überleben sichern

Keinen Zweifel ließ Dave Gahan daran, dass er sich fortan als Überlebender sieht. Aber als Überlebender, der die ihm von den Medien zugeschriebene Opferrolle nicht annimmt.

Ultra (1997)

Das neunte Studioalbum von Depeche Mode würde den Auftakt für zwei bis heute geltende Regelmäßigkeiten bilden (Okay, ab „Memento Mori“ haben ich die Dinge geändert!). Erstens, eine neue DM-Platte erscheint exakt alle vier Jahre, und zwar ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft. Aufnehmen, touren, runterkommen. Zweitens, aus Klangschöpfern und Vorreitern wurden Mitbewerber: Depeche Mode spielten in der elektronischen Musik weiter eine Rolle, schritten aber nicht mehr voran, sondern suchten sich Produzenten, die für aktuelle Strömungen stehen. Alan Wilder fehlte hier.

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Mit Tim Simenon, in den 80er-Jahren Kurzzeit-Wunderkind von Bomb The Bass, suchte Martin Gore sich zumindest einen Produzenten aus, auf den keiner gekommen wäre. Simenon aber probierte sich an einem Sound, der zwischen Dirty Electro und Bristol changierte. „Home“, der vielleicht beliebteste Song von „Ultra“, erinnert mit seinen Streichern an den leicht künstlich wirkenden Orchesterklang von Massive Attack, Gores Stimme hüpft dazu wie die von Erasure-Sänger Andy Bell. Es war einfach alles viel zu dünn auf dieser Platte.

Keinen Zweifel ließ Dave Gahan daran, dass er sich fortan als Überlebender sieht. Aber als Überlebender, der die ihm von den Medien zugeschriebene Opferrolle nicht annimmt. Kollege Gore schrieb ihm dazu den entsprechenden Text auf die Brust: „Whatever I’ve done/ I’ve been staring down the barrel of a gun / Is there something you need from me / Are you having your fun /I never agreed to be /Your holy one.“ Im Video von „Barrel of a Gun“ malten die Musiker sich Augen auf ihre Augenlider: Menschen, die die Augen vor der Welt verschließen, ohne dass die Welt das bemerken soll.

Es sind die kleineren Songs, die nichts von ihrer Lebendigkeit verloren haben, auf jenem Werk, in dem es vor allem ums Überleben geht. Gores „The Bottom Line“ etwa, auf dem Can-Drummer Jaki Liebezeit eher unbemerkt zu hören ist, die auffallende Unauffälligkeit aber sicher in dessen Sinne ausfiel. Dazu „Freestate“ und „Insight“, das von dem Geräusch eines klopfenden Herzens geprägt ist; Gahans Versicherung „The Fire Still Burns“ nimmt jedoch die späteren eigenen, eher simplen Songtexte vorweg.

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