White Heat

Schon früh versuchten sich weiße Musiker an Soul und R'n'B - mit unterschiedlichem Erfolg. SOUNDS trennt die Spreu vom Weizen und fragt: Wie heiß ist der Blue-Eyed Soul?

Sie waren weiß, zu zweit, und sie nannten sich The Paramours: Bobby Hatfield und Bill Medley traten zu Beginn der sechziger Jahre als Gesangsduo in US-Clubs auf. Die schwarzen REtB-Fans pflegten die Darbietungen der beiden mit dem Zuruf „You’re righteous, brothers!“ zu quittieren. Es war das wohl größte Kompliment, das man den Paramours machen konnte, denn wer als Weißer REtB singen will, muss glaubwürdig sein. Kurz: Soul haben. Bobby und Bill hatten ihn, und fortan nannten sie sich The Rigtheous Brothers.

Sie waren nicht die einzigen Weißen, die schwarzen Vorbildern nacheiferten: Timi Yuro konnte ihre „schwarzen“ Hits „Hurt“ und „What’s The Matter Baby“ erst aufnehmen, als der zähe Widerstand uneinsichtiger Plattenbosse gebrochen war. Weitere blauäugige Soulstars: The Box Tops, Roy Head, Mitch Ryder, Rare Earth, Georgie Farne, Len Barry und R. Dean Taylor (der bei Motown als Hitschreiber für die Supremes, Four Tops und Temptations begann).

Was die Righteous Brothers und weitere bleich-gesichtige Soulbrüder und -Schwestern für die Sixties waren, verkörperten Hall & Oates in den Siebzigern. Auch Boz Scaggs, Robert Palmer, The Soul Survivors, Jess Roden und Eddie Hinton eiferten mit Stil und Timbre schwarzen Vorbildern nach. Wichtigster Indikator für die Akzeptanz weißer Künstler war dabei die Frage, ob ihnen der Einstieg in die amerikanischen R&B-Charts gelang. Ein Kunststück, das nicht nur den Bee Gees glückte, sondern auch George Michael, der dort 1987 als erster weißer Popstar mit seinem Debütalbum „Faith“ die Nummer Eins schaffte. Zu den Talenten, die sich auf die große Tradition des blauäugigen Souls berufen, gehören heute die jungen Britinnen Joss Stone, Amy Winehouse, Duffy und Adele. Sie alle wandeln erfolgreich in den Fußstapfen ihrer Ahnin Dusty Springfield, die es einst nach Memphis verschlug, um ein Soul-Album aufzunehmen, das zur Legende des Genres wurde… Be righteous, sisters!

Dusty Springfield – White Queen of Soul

„Dusty In Memphis gilt als Blaupause für das Erfolgsmodell „weiße Popdiva singt Soul“. Als das Werk 1969 erschien, wurde es zur großen Enttäuschung der blonden Engländerin, die schon zuvor immer wieder Soul-Songs aufgenommen hatte, zunächst weitgehend überhört. Lediglich die Single „Son Of A Preacher Man“, ursprünglich für Aretha Franklin gedacht, wurde ein Hit. Für Dusty Springfield, die in englischen TV-Shows auch gern mit schwarzen Girl Groups wie Martha Reeves Et The Vandellas sang, stellte sich der große Erfolg erst wieder Ende der achtziger Jahre mit modernem Pop und Schützenhilfe der Pet Shop Boys ein.

The Righteous Brothers – Wall of Soul-Sound

Bobby Hatfield und Bill Medley entwickelten schon früh einen Vokalstil, der an klassischen R&B erinnerte. Ihre ersten Singles „Little Latin Lupe Lu“ und „My Babe“ fanden so auch beim schwarzen Publikum Anklang. Aber erst Phil Spector führte das Duo mit ausgesuchtem Songmaterial und seinem unnachahmlichen Produktionsstil zum Erfolg. „You’ve Lost That Loving Feelin'“ gilt als eine der besten Popsingles aller Zeiten. Mit Coverversionen der schwarzen Sänger AI Hibbler und Roy Hamilton („Unchained Melody“, „Ebb Tide“) festigten sie ihren Ruhm. Als sie jedoch mit Spector brachen, war ihre Zeit abgelaufen.

Average White Band – kein Durchschnitt

Die Schotten spielten ihren Funk so perfekt, dass viele sie zunächst mal für eine schwarze Band hielten. Nach einem Labelwechsel gelang ihnen mit Hilfe von Produzent Arif Mardin der erste Bestseller: Schlicht „Average White Band“ betitelt, enthielt das Album unter anderem den knackigen Funktrack „Pickin‘ Up The Pieces“, der es als Single auf den ersten Platz der US-Charts schaffte und auch in den R&B-Charts notiert wurde. So versiert die Band handwerklich agierte, so deutlich litt sie unter einem Mangel an Ideen. Ende der siebziger Jahre war sie dann auch wieder weg vom Fenster.

Daryl Hall & John Oates – Popper mit Soul-Vergangenheit“

Berühmt wurde das Duoaus Philadelphia mit einer atemberaubenden Serie von Pop-Hits in den Achtzigern. Da allerdings konnten der blonde Daryl und der dunkelhaarige John schon auf eine lange Vergangenheit als Profimusiker zurückblicken. Drei LPs bei Atlantic waren jedoch gefloppt, „Abandoned Luncheonette“ (1973) allerdings hatte mit der ausgekoppelten Single „She’s Gone“, die später von Lou Rawls und Tavares gecovert wurde, Spuren hinterlassen. Als die beiden zu RCA wechselten, begannen sie praktisch noch einmal neu. Der Neustart mit der Single „Sara Smile“ (1975) war feinster Philly-Soul, ebenso wie viele Tracks auf dem Nachfolgealbum „Bigger Than Both Of Us“ (1976). Dann allerdings gingen die smarten Jungs auf Pop-Kurs…

van Morrison – Celtic Soul Man

John Lee Hooker bezeichnete den Songschreiber, Sänger und Saxofonisten aus dem nordirischen Belfast als den „größten weißen Bluessänger aller Zeiten“ – tatsächlich aber ist Van The Man viel mehr als das. Morrison hat die seltene Fähigkeit, ganz unterschiedliche musikalische Stile zu einer schlüssigen Synthese zu vereinen: Blues, Country, Rock’n’Roll, Soul, Gospel, Jazz und keltischer Folk klingen bei ihm wie aus einem Guss. Und dann ist da noch diese betörende Stimme: nachzuhören auf Meisterwerken wie „Astral Weeks“, „Moondance“, „Wavelength“ und „It’s Too Late To Stop Now“.

Steve Winwood – Wunderkind mit schwarzer Stimme

Als der 18-Jährige 1967 seine Band Traffic auf die Beine stellte, hatte er bereits Rockgeschichte mit der Spencer Davis Group geschrieben. Little Stevie verfügte über eine einzigartige Gesangsstimme, mit der er überzeugender als die komplette Konkurrenz britischer Jungrocker den Soulman geben konnte. Außerdem zeigte er beachtliches Geschick im Umgang mit Orgel, Gitarre, Klavier und Percussion. Als Songwriter war er bereits mit 17 auffällig geworden: Seine Kompositionen „Gimme Some Lovin'“ und „I’m A Man“ wurden Hits. Heute zählt Winwood zu den unbestrittenen Legenden der Generation Rock. Zwar gehört er zu den zurückhaltenden Vertretern seiner Zunft, seine Aktivitäten als Solokünstler aber bescheren uns immer mal wieder ein feines Album, zuletzt in diesem Jahr das entspannte „Nine Lives“.

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