
Weshalb man „Mr. Scorsese“ bei Apple TV+ sehen sollte
Rebecca Millers Dokumentarserie „Mr. Scorsese“ erzählt, wie ein kleiner italoamerikanischer Junge das Kino veränderte.
Es war einmal ein kleiner italoamerikanischer Junge, der mit seinen Eltern in Little Italy in New York City lebte. Da waren harte Typen, die ihre Sätze nicht zu Ende sprachen, und manchmal lag ein Toter auf der Straße. Der wirklich sehr kleine Martin Scorsese litt an Asthma und saß im Sommer in den klimatisierten Kinos und am Freitagabend vorm Fernseher, wenn italienische Filme gezeigt wurden.
Marty, wie ihn in Rebecca Millers Dokumentarserie „Mr. Scorsese“ (Apple TV+) jeder außer Daniel Day-Lewis nennt, studierte Film an der NYU und machte den Film „Who’s That Knocking At My Door“, in dem all die Typen herumhängen, mit denen Marty und sein Bruder herumhingen.
Dann ging Marty mit Freunden nach Woodstock, um einen Film über das Festival zu drehen. Er hatte Manschettenknöpfe an seinem Hemd. Michael Wadleigh ließ ihn später nicht mitmachen. Er gewann einen Oscar.
Scorsese machte „Boxcar Bertha“ für Roger Corman. Gefiel wenigen. Dann kam „Mean Streets“. Harvey Keitel spielte die Hauptrolle wie schon in „Who’s That Knocking“, und Brian De Palma empfahl für die Rolle des explosiven Johnny-Boy einen Schauspieler namens Robert De Niro, mit dem er zwei Filme gedreht hatte. De Niro kam auch aus Little Italy, ein Künstlersohn, und er kannte die Leute, die Scorsese kannte. Nur einander kannten sie noch nicht.
De Niro, Drogen und die Wiederauferstehung des Kinos
Daniel Day-Lewis sagt auf einem Sessel in seinem behaglichen Wohnzimmer, dass in allen Filmen, die er in seiner Jugend liebte, Robert De Niro mitspielte. De Niro ist Travis Bickle in „Taxi Driver“. De Niro ist Jimmy Doyle in „New York, New York“. De Niro ist Jake LaMotta in „Raging Bull“. De Niro ist Rupert Pupkin in „The King Of Comedy“.
Während „New York, New York“ schnupfte Scorsese so viel Kokain, dass er mit inneren Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. „Menschen können im Leben sterben und wiederauferstehen“, sagt Mr. Scorsese zu Rebecca Miller. „Ich habe mich geweigert zu sterben.“
Robert De Niro kam ins Krankenhaus. Er brachte Paul Schraders Drehbuch zu „Raging Bull“. „You wanna die in this hospital? There’s something you gotta do.“
Scorsese wollte den „Boxerfilm“ zunächst nicht machen. Und De Niro wusste, dass nur Scorsese ihn machen konnte. Als er das Krankenhaus verlassen hatte, ging er zu einem Boxkampf und sah aus der dritten Reihe das Blut an den Ringseilen und den Schwamm, aus dem das Blut gedrückt wurde. Er entwarf die Storyboards.
De Niro als Jake LaMotta war erst ganz dünn und dann ziemlich dick. Er war nach Italien gereist und hatte 30 Kilogramm zugenommen. „Die letzten 15 Minuten von ‚Raging Bull‘ haben mich fast umgebracht“, sagt Steven Spielberg. „Der Film hat mich an die Grenze getrieben. Danach war ich nicht mehr ich selbst.“
Gewalt, Verdacht und späte Anerkennung
Die jähen Ausbrüche von Gewalt sind nicht im Ring. Sie sind in Jake LaMottas Leben. Einmal kommt die von Cathy Moriarty gespielte Ehefrau nach Hause, und Joe Pesci als Jakes Bruder küsst sie auf den Mund. LaMotta steht am Fernseher und hat einen schrecklichen Verdacht. „I heard some things“, sagt er immer wieder. Pesci verteidigt sich. Was hast du gehört? „I heard some things.“ Und weiter und weiter.
Martin Scorsese bekam keinen Oscar für „Raging Bull“. Er bekam keinen Oscar für „GoodFellas“. Er bekam keinen Oscar für „The Age Of Innocence“. Er bekam keinen Oscar für „Casino“ und keinen für „Aviator“. „Gangs Of New York“ war für zehn Oscars nominiert und gewann keinen. Er hatte aufgegeben.
Im Jahr 2007 aber war Martin Scorsese für „The Departed“ nominiert, und Francis Ford Coppola, Steven Spielberg und George Lucas betraten für den Regiepreis die Bühne. Spielberg hatte das größte Lächeln auf dem Gesicht.