„„Woher kommen die Beatles?“

Was weiß das Volk auf der Straße über die Herkunft der Beatles, Stones und Claptons? Fragen wir doch einfach mal nach - und freuen uns auf ein kurioses Ergebnis.

Manchmal hat man eine Theorie. Ein Bauchgefühl. Etwas, was nur man selbst über ein wichtiges Detail in der Musik zu wissen glaubt und unbedingt allen erzählen muss. Doch jetzt gehen Sie mal in eine SOUNDS-Redaktionssitzung zu den lieben Nerds und Vinylnazis, die in ihrer 3-Zimmer-Altbauwohnung keine Tapete, sondern Tonträger an den Wänden haben und dreimal im Jahr ihre Plattensammlung abwechselnd alphabetisch, nach Genres und autobiografisch sortieren, und schmieren Sie ihnen folgende Behauptung aufs Brot: „„Die Amis haben es geschafft, dass ihnen die breite Masse fast alle großen Bands der letzten 50 Jahre zuordnet, obwohl die meisten davon eigentlich aus England kommen.“ Eher hätten Sie sonntagmorgens dem DSF-Stammtisch weismachen können, Schalke sei am Vortag in Schwarzgelb aufgelaufen.

Ein handfester Beweis muss her. Led Zeppelin! Wetten, dass die Normalos da draußen keine Ahnung haben, ob die Band von der kleinen oder der großen Insel kommt? Abgebügelt, nicht aktuell genug. Amy Winehouse! Nope, das kennt keiner über 35. Dann eben Iron Maiden! Igitt, das ist ja Metal. Gut, einen hab ich noch: Ich gehe in die Fußgängerzone und frage, aus welchem Land die Stones kommen! Kurze Bedenkzeit. Eingeloggt.

So kam es in diesem Winter in München zu einem Pingpong zwischen Nerd und Normalo, bei dem Beatles, Clapton und Sarah Connor als Entree für die eigentliche Frage nach der Herkunft der Stones herhielten und mehrere Dutzend Passanten aller Altersklassen befragt wurden – was etwa so ablief:

Nerd: „„Tschuldigung, können Sie mir sagen, aus welchem Land die Beatles kommen?“

Normalo: „„Die Beatles? Aus welchem Land? Aus England!“ (95 % richtig gewusst)

Nerd: „Und Eric Clapton?“

Normalo: „„Eeeric Cllllaptonnn… hmm… vielleicht auch aus England?“ (56 % richtig geraten)

Nerd: „„Sarah Connor?“

Normalo: „„Delmenhorst. Weiß man doch.“ (74°/o richtig gewusst)

Nerd: „Und die Rolling Stones?“

Normalo: „„Puh, schwierig. Mm. Die kommen doch aus Amerika!“

Und jetzt, liebe Freunde, haltet euch fest: 56 Prozent der Sterblichen da draußen wissen NICHT, dass die Stones aus England kommen. Na? Who can boogie? K.o.-Sieg für Thieleke in der vierten Runde, würde ich sagen.

Kommen wir zur Analyse nach dem Spiel. Wie ist das Resultat zu bewerten? Zwei Ursachen dürften entscheidend sein: Zum einen sind die Stones schon enorm lange international aktiv, zum anderen ist die Welt mittlerweile so sehr zusammengewachsen, dass es keine so große Rolle mehr spielt, woher eine Band kommt.

Die Stones also als großer, globaler Langzeit-Act, wohingegen die Beatles bekanntlich seit 1970 nicht mehr existieren und 1966 ihr letztes Konzert gespielt haben. Sarah Connor ist Deutsche, das hat spätestens seit ihrer angeblichen Affäre mit Werder Bremens Diego jeder Einzeller mitbekommen, und Clapton war eh nur in der Umfrage, um die Leute zu verwirren. Auffällig ist dabei dennoch eines: Von den Irrenden, die Mick & The Jaggers in die USA verpflanzten, waren 75 % unter 35 Jahren alt. Was sagt uns das? Kindermangel im Dino-Gehege? Interessieren sich „junge Leute“ etwa für was anderes? Oder hätten wir die Umfrage lieber woanders machen sollen als am Ausgang des Bushido-Konzerts?

Ich hätte da ja noch eine weitere Theorie. So ein Magendings. Vielleicht sind die Stones am Ende gar nicht „typisch britisch“? Sie wissen schon, diese schwer zu definierende britische Eigenheit, das Avantgardistische und Progressive, das Nerdige, das klanglich Merkwürdige, das zwanghaft Individuelle, das Künstlergehabe? Bekanntlich haben sich die Stones von Anfang an dem straighten Rock’n’Roll á la Chuck Berry und dem tiefschwarzen Blues eines Muddy Waters verschrieben, also typisch amerikanischer Musik. Und welche englische Band kann schon von sich behaupten, vor den TV-Augen der Welt in der Halbzeitpause einer uramerikanischen Sause wie dem Super Bowl aufzutreten?

Ist aber nur ein Bauchgefühl. Würde mich ja schon interessieren, was eigentlich genau gemeint ist, wenn im Zusammenhang mit Musik von „typisch britisch“ die Rede ist. Da müsste man mal eine Umfrage machen.

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