Zehn Engel für Conor – Conor Oberst inszeniert Bnght Eyes: ein Abend voller schöner Widersprüche

ELSERHALLE, MÜNCHEN. Es gibt hier nichts, was von Conor Oberst ablenkt. Nicht seine Bright Eyes-Kollegen Mike Mogis und Nate Walcott, nicht Querflöte oder Trompeten, die Geigen oder die zwei Schlagzeugerinnen. Sie alle umrahmen nur den kleinen Mann im weißen Anzug mit der weißen Gitarre und dem weißen Gesicht. Fast ein Dutzend ebenfalls engelweiß gekleideter Musiker steht auf der jetzt recht klein erscheinenden Bühne, ein Orchester quasi. Und doch gibt es nur wenige Momente, in denen nicht Oberst im Mittelpunkt steht- meistens kommt dann ein langweiliges Solo, und alle warten nur auf seine Rückkehr. Der Soundmann hat auch gemerkt, wessen Stunde geschlagen hat, und diese einzigartig fragile und doch so eindringliche Stimme ganz nach vorn gemischt. Man mag bedauern, dass Oberst seine Songs jetzt nicht mehr im Rausch in Stücke reißt, sondern sie mit der geballten Wucht der großen Band relativ kompakt zusammenhält. Lieber sollte man respektieren, mit welcher Vehemenz er sich weiterentwickelt hat, wie wenig er sich auf den frühen Ruhm verlassen muss. Er spielt an diesem Abend nur sieben alte, dafür neun neue Lieder – und da sind die sicheren Kandidaten „Make A Plan To Love Me“ und „I Must Belong Somewhere“ gar nicht dabei, leider auch kein „Classic Cars“.

Dafü r setzt er sich zu „If The Brakeman Turns My Way“ ans Piano, die Band schweigt, er zieht die Zeilen in die Länge – und es ist kein einziger Zweifel mehr zu spüren. Verzweiflung an der Welt vielleicht, aber unbedingtes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Kurz darauf, bei „Soul Singer In A Session Band“, wirken die Zeilen „In this fictitious world all reality twists/ I was a hopeless romantic, now I’m just turning tricks“ wie eine kleine Lüge, weil er längst bewiesen hat: Es geht auch beides. Man kann Schau machen, ohne die Romantik zu verlieren. Nachdem er erst mal lange gar nichts gesagt hat, erzählt Oberst schließlich, wie er einst seinen kleinen Hund begraben hat und dabei auf eine Kiste mit einem Song stieß, den er nur noch umarbeiten musste – und dann merkt er, dass jetzt gar nicht das richtige Stück zu der Geschichte kommt, und nuschelt: „Das nächste Lied habe ich einfach geschrieben, wie alle anderen auch.“ Man könnte lachen über solche Ungeschicklichkeiten, wenn die Songs nicht so sensationell wären. Nachden letzten Worten von „Lime Tree“ verlässt er die Bühne: „I took off my shoes and walked into the woods/ I felt lost and found with every step I took.“ Ein Widerspruch wie der gesamte Abend – auch einer, der wunderschön klingt.

Gerade, als man sich fragt, ob diese Aufführung bei allen kleinen Widerhaken nicht vielleicht doch ein kleines bisschen zu makellos ist, fällt zur Zugabe alles auseinander. Zum ersten Mal in seinem Leben, behauptet Oberst, wolle er versuchen, einen Song mit zusammengebundenen Haaren zu singen. Ganz schön sei das, so luftig, aber nein, irgendwie doch nicht sein Ding. Er redet sehr, sehr lang über seinen Pferdeschwanz, die Zunge läuft verschleppten Halbsätzen hinterher, und ein betrunkener Brite aus der letzten Reihe grölt: „Play that Beethoven thingy!“ Aber nein, nicht „Road To Joy“ kommt, sondern „A Song To Pass The Time“. Mit wallendem Haar und einem Lächeln verlässt der Junge, der jetzt ein Mann ist (zumindest meistens), die Bühne.

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