Rihanna – Zeig keine Schwäche

66 Millionen Menschen haben bei Facebook "gefällt mir" geklickt, 200 Millionen ihre CDs und Songs gekauft. Rihanna ist der größte Popstar der Welt. Rolling Stone begleitet sie zwei Tage lang durch ihr erstaunliches Leben.

Kommt ein Super-Promi in einen stinknormalen Comedy-Club … nein, halt: Ein banales „kommen“ wird ihrem Erscheinen nicht gerecht. Bei Rihanna ist es eher ein geräuschloses Gleiten. In bester „GoodFellas“-Manier wird sie Punkt 22 Uhr durch den Hintereingang geschleust und nimmt den direkten Weg zu einem diskreten Ecktisch, wo sie sich geschmeidig auf das braune Leder der Sitznische schwingt. Sie trägt geblichene Jeans (auf einer Pobacke prangt ein rotes Cartoon-Herz), hat ihre stufig gefärbten Haare auf der linken Kopfhälfte rasiert (wie Skrillex) und duftet nach ihrem hauseigenen Parfüm (ihr drittes, um genau zu sein – das mit Guave und Sandelholz). „Jack und Ginger“, sagt sie zur Kellnerin. „Bitte.“

Es ist Freitagnacht in West Hollywood, und wir befinden uns in der Laugh Factory auf dem Sunset Strip. Comedian Dane Cook ist heute der Headliner – und draußen windet sich die Schlange der einlasswilligen Besucher noch um den ganzen Häuserblock. Für Rihanna gibt’s eigentlich keinen besonderen Anlass, heute gerade hier vorbeizuschauen. Sie hat in den vergangenen Tagen hart gearbeitet und will es mal wieder krachen lassen. Gewöhnlich besucht sie an solchen Tagen mit ihren Freundinnen die Karaoke-Bars in Koreatown, kippt ein paar „Don Julio“-Tequilas und schmettert „Living On A Prayer“ oder frühe No-Doubt-Hits. Aber heute war ihr eben nach Comedy-Club. Eigentlich sollte sie heute Abend ja für ihre anstehende Welt-Tournee proben, aber da sie gerade einen neuen Musical Director bekommen hat, der die Band erst auf Vordermann bringen will, hätte sie nur dumm rumgesessen – und das kann man vom Boss eines weltweiten Multi-Millionen-Dollar-Unternehmens wirklich nicht erwarten.

Da sie noch nicht zu Abend gegessen hat, fliegt sie über die Speisekarte und entscheidet sich für Buffalo Wings. Sie ordert eine Extra-Portion Ketchup, doch die Kellnerin runzelt die Stirn. „Tut mir leid“, sagte sie, „aber wir haben kein Ketchup. Kann ich etwas anderes bringen, eine Salsa-Soße vielleicht?“

„Sie haben kein Ketchup?“, fragt Rihanna ungläubig. „Ist ja abartig.“ Aber: Wir kommen auch ohne Ketchup über die Runden. Die Hühnchenflügel werden serviert – und Rihanna macht sich heißhungrig drüber her. Könnte sein, dass sie ein wenig high ist und ihren Geschmacksnerven etwas Zunder geben muss.

Auf der Bühne steht gerade einer der Opening Acts, ein mittelalter, traurig dreinschauender Kanadier namens Jeremy Hotz, der in den letzten Jahrzehnten wahrscheinlich nie über die Rolle des Anheizers hinausgekommen ist. Er nölt über die Kältewelle, die Los Angeles aus heiterem Himmel überfallen hat. „Für zwei gottverdammte Tage hatten wir hier ja geradezu Winter“, schimpft er. „Für diesen Scheiß komm ich doch nicht hierher. Ihr könnt mich mal.“

„Genau“, ruft Rihanna begeistert. „Ich hab auch die Schnauze voll. Yo!“

Hotz reagiert nicht auf den Zwischenruf, sondern reibt sich für eine Weile die Augen – als sei er vom Elend dieser Welt überwältigt. „Geht’s euch manchmal auch so“, fährt er fort, „dass ihr laut aussprechen müsst, was ihr gerade tun wollt – wie ein gottverdammter Trottel?“ Rihanna schickt einen weiteren begeisterten Zuruf zur Bühne. „Mir passiert das wirklich ständig, wenn ich stoned bin“, flüstert sie mir zu. Sie wirft ihre Stirn in Falten und tut so, als würde sie sich konzentrieren. „Wie:, Okay … wo waren wir doch gleich …? Ach ja, das Parfüm.'“

Für eine Person, die selbst im Rampenlicht steht, ist sie jedenfalls ein erstaunlich dankbares Publikum. Sie lacht bei jedem Witz – manchmal sogar schon vor dem eigentlichen Gag. Sie mag Witze über Sex, gewisse Körperteile und kommt schon bei der Erwähnung des Wortes „teabag“ ins Kichern. (Der „teabag“ als Synonym für die männlichen Hoden erfreut sich bei der jüngeren US-Bevölkerung wachsender Beliebtheit – Anm. d. Übers.) Ab und an lacht sie so hemmungslos, dass sie sich irgendwo festhalten muss – am Tisch, ihren eigenen Knien oder dem Arm des Tischnachbarn. Am schallendsten lacht sie bei dem nicht gerade niveauvollen Witz eines weiteren Anheizers, der von seinem Schwanz behauptet, er passe durch die runde Öffnung eines „Cheerio“-Cornflakes. Rihanna kann sich überhaupt nicht mehr einkriegen. „Hahahahahaha“, kommt es aus ihrem Mund, „Cheerios!“ Sie kringelt sich so sehr, dass sie tatsächlich von der Sitzbank plumpst und eine Minute braucht, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen und Luft zu schnappen. Ihre beste Freundin Melissa, die am nächsten Tisch sitzt, schaut hinüber und wirft ihr einen Blick zu, als wolle sie sagen: „Das kann doch nicht dein Ernst sein.“

Ein paar peinliche Momente gibt’s allerdings auch. Als Dane Cook auf der Bühne steht, macht er sich über Mädchen lustig, die ihren Boyfriends Nacktfotos aufs Handy schicken. Rihanna kann nicht lachen. (Man braucht nur ein wenig zu googeln, um den Grund zu erfahren.) Ein wenig später behauptet er, das Wort „rape“ werde heute für die unpassendsten Situationen benutzt, z. B. wenn man „ein Sandwich vergewaltige“ – und auch darüber kann sie nicht schmunzeln. Ein anderer Spruch ist: „Jungs, was immer ihr auch macht – kommt gar nicht erst in die Versuchung, eure Freundin schlagen zu wollen …“ – und für einen Moment ist es an unserem Tisch mucksmäuschenstill -, bis er fortfährt: „… zumindest nicht, wenn ihr euch per SMS mit ihr streitet.“ Das Lachen kehrt zurück. „Yo“, sagt sie strahlend, „der Bursche ist wirklich cool.“

Als sich sein Auftritt dem Ende nähert, macht sich Rihanna auf den Weg zum Hinterausgang und trifft auf Hotz, den traurig dreinschauenden Kanadier, der dort im Backstage-Bereich rumlungert und die Hände in seinem Kapuzenpulli vergräbt. „Tschüs, und danke, dass du mal reingeschaut hast“, murmelt er und starrt auf den Fußboden. Der größte Popstar dieses Jahrzehnts geht einen Schritt auf ihn zu und schaut ihn direkt an. „Du“, sagt sie, „du warst einfach großartig.“

Mit ihrem giftgrünen Blazer und den riesigen Schulterklappen, die jedem Footballer zur Ehre gereichen würden, steht sie draußen auf der Straße und schnattert in der ungewohnten Kälte. „Hat einen Riesen-Spaß gemacht“, schwärmt sie. „War ein toller Abend.“ Sie sagt, dass sie wohl nach Hause fahre, um sich ein wenig auszuruhen. Sie klettert hinter dem Chauffeur auf die Rückbank ihres Cadillac Escalade – und fährt stattdessen zu einem anderen Club in West Hollywood, wo sie die ganze Nacht mit Chris Brown durchmacht.

In den vergangenen vier Jahren, stets im November, hat Rihanna jeweils ein Hitalbum an den Start gebracht. Es kommt inzwischen so sicher wie das alljährliche Thanksgiving: Die Blätter fallen, die Football-Saison beginnt – und Rihanna verkauft aus dem Stand Millionen von Alben. „Unapologetic“, ihr letztes, war ihr erstes Nummer-1-Album in den USA – und eigentlich gar nicht geplant. „Wir wollten im vorigen Jahr ursprünglich eine Pause einlegen“, sagt sie mir ein paar Tage später, „aber nach etwa sechs Monaten bekam ich einfach das Kribbeln: Ich musste wieder ins Studio. Musikmachen ist nun mal wie Shopping für mich, jeder Song ist wie ein neues Paar Schuhe. Ich liebe die Schuhe, die ich gerade trage – sie sind wundervoll -, aber was ist neu an ihnen?“

Und für Rihanna ist der Gang ins Studio tatsächlich wie der Besuch eines Schuhgeschäfts. Sie trommelt die angesagtesten Hitschreiber zusammen, die sich ein paar Wochen hinsetzen und diverse Hits ausspucken (mit oder ohne ihr Zutun), wählt sie dann nach ihrem Gusto aus und besprüht sie mit dem unnachahmlichen Rihanna-Gold. Und ihr Geschmack scheint geradezu unfehlbar: Zwölf Nummer-1-Hits hat sie in den letzten sechs Jahren gelandet, hatte mehr Digital-Verkäufe als jeder andere Künstler (über 100 Millionen – Tendenz: weiter steigend) und generierte 3, 2 Milliarden YouTube-Klicks. Wie eine Dampfwalze hat sie den Zeitgeist überrollt, gnadenlos und schier unwiderstehlich – ein Dschingis Khan der Single-Charts.

Wir treffen uns zum Dinner in ihrem Lieblingsrestaurant, einem kleinen Italiener namens Giorgio Baldi, gleich am Pacific Coast Highway. Sie kommt drei Mal die Woche hierher, es ist immer ein Tisch für Rihanna reserviert – und Kellner Marco weiß natürlich längst, dass sie Parmesan liebt und Trüffel hasst. Sie bestellt fast jedes Mal frittierte Calamari, gefolgt von Spaghetti mit Tomatensoße. Wenn sie sich einmal auf etwas festgelegt hat, bleibt sie auch dabei – selbst wenn’s nicht immer perfekt ist. „Ich weiß, dass ich an dieser Marotte arbeiten muss“, sagte sie. „Aber bitte nur in Babyschrittchen.“

Heute Abend kommt sie mit zwei Stunden Verspätung – was nicht weiter ungewöhnlich ist. Marco hat in diesem Punkt bereits Erfahrung und will mir nicht einmal die Empfehlungen des Hauses erklären, „weil Sie’s ja eh wieder vergessen, bis sie eintrifft“. Als Rihanna dann tatsächlich eintrippelt (in 700-Dollar-Manolos und dem Duft des „Eau de Marihuana“), sieht sie ein bisschen müde aus. „Mein Körper ist komisch drauf“, sagt sie und rollt ihre Serviette aus. „Ich wache immer mit den ersten Sonnenstrahlen auf, aber es fällt mir schwer, abends einzuschlafen. Ich kann die Gedanken, die mir durch den Kopf schwirren, einfach nicht abstellen.“

Sie ist erst vor ein paar Monaten in diese Nachbarschaft gezogen – und die Nähe zu „Giorgio Baldi“ spielte dabei durchaus eine Rolle. Von ihrem früheren Haus in Beverly Hills war sie allerdings ohnehin nicht mehr begeistert. „Der Pool war ein Albtraum“, sagte sie. „Der Boden war dunkelblau gestrichen – er sah wie ein dunkler See aus.“ Ihr neues Haus hat natürlich auch einen Pool, aber „einen normalen, mit hellblauem Boden“.

Die Calamari kommen, und wir sprechen ein wenig über das Flugzeug. Vielleicht haben Sie in den Nachrichten ja von Rihanna und dem Flugzeug gehört: Im Rahmen ihrer PR-Kampagne für „Unapologetic“ charterte sie eine Boeing 777 und flog in sieben Tagen sieben Länder an – mit 250 Fans und Reportern im Schlepptau. Anfangs lief noch alles reibungslos, bis die mitreisenden Blogger, die wohl eine glamouröse Vergnügungsreise erwartet hatten, mit einigen unschönen Begleiterscheinungen konfrontiert wurden: Sie mussten stundenlang auf dem Rollfeld ausharren, bekamen kein Trinkwasser und konnten nicht mal zur Toilette. Ich frage sie, ob sie das zwiespältige Echo auf ihre Reise verfolgt habe. „Was?“, sagt sie, als habe sie zum ersten Mal davon gehört. „Man hat mir erzählt, dass einige Leute etwas geschlaucht waren, aber selbst das kam mir erst nach dem Trip zu Ohren.“

Aber hat sie denn nichts davon mitbekommen, dass die Leute keinen Platz zum Schlafen hatten, dass sie nichts zu essen bekamen, dass der Gestank unerträglich war, ja dass es fast schon zum Aufstand gekommen wäre?

„Im Flugzeug?“, fragt sie. „Ist ja irre.“

Wie hat sie denn selbst die Reise erlebt?

„Oh, es war wunderbar“, sagt sie. „Ein Spaß ohne Ende. Ich habe jede Minute genossen. Und es hat definitiv geholfen, das Album in die Schlagzeilen zu bringen – was ja der Sinn der ganzen Aktion war.“

Ein PR-Fiasko, das in der Blogosphäre heftige Wellen schlägt, aber gleichzeitig ihr Album in die Schlagzeilen bringt – in gewisser Weise illustriert der Trip die tumultuarischen Umstände, in denen sich auch Rihannas Privatleben befindet: Nacktfotos auf Instagram, Schnappschüsse mit einem Joint zwischen den Lippen, anzügliche Tweets zwischen ihr und dem Mann, der sie vor nicht allzu langer Zeit krankenhausreif schlug. Was ihre Mitteilungssucht und mitunter fragwürdige Urteilsfähigkeit angeht, könnte Rihanna auch gut eine Rolle in Lena Dunhams Fernsehserie „Girls“ spielen. Doch selbst für Dunham ist dieser Tobak zu stark. (Als sie von der neuerlichen Romanze mit Chris Brown erfuhr, schrieb Dunham: „Es zerreißt mir das Herz.“) Rihanna sagt, dass sie genau deshalb das Album „Unapologetic“ genannt habe: Sie könne nun mal nicht aus ihrer Haut – und habe zum Vorbild absolut kein Talent. „Einem zehnjährigen Mädchen würde ich nie und nimmer empfehlen, sich Rihanna als Vorbild auszugucken“, sagte sie. „Ich weiß genau, dass ich alles andere als perfekt bin, aber mit diesem Anspruch bin ich ja auch nie angetreten.“

Ihr Mentor Jay-Z ist fest davon überzeugt, dass dies alles nur Teil eines natürlichen Reifeprozesses ist. „Sie wird sich später einmal an einige dieser Situationen erinnern und sagen:, Was hab ich da bloß für ’nen Scheiß erzählt?‘ Aber das ist doch großartig. Darum geht’s nun mal im Leben: Geh in die Welt hinaus und mach deine Fehler.“

Den größten Knalleffekt lieferte wohl ihre Versöhnung mit Chris Brown – eine Entscheidung, die in ihrem Privatleben wie auch in ihrer Musik Spuren hinterlassen hat. Schon in dem beunruhigenden Video zu „We Found Love“ von 2011 tauchte ein Brown-Doppelgänger auf, der sie im Auto verprügelt. Das Cover ihrer neuen Single „Stay“ (eine wundervolle Ballade, die wohl auch ihre Beziehung thematisiert) zeigt sie in einem intimen Moment mit einem Mann, der offensichtlich Chris Brown ist. Und mit „Nobody’s Business“ gibt es einen weiteren neuen Song – diesmal ein beängstigend optimistisches Duett, in dem beide ihre Beziehung verteidigen. Die Nummer erinnert an eine musikalische Tradition, die vor 90 Jahren mit Bessie Smith begann: „I’d rather my man would hit me/ Than to jump right up and quit me/ ‚Tain’t nobody’s business if I do“, sang sie 1923. Aber Bessie Smith musste auch nie mit Fotos leben, wie sie von der geprügelten Rihanna im Internet kursierten.

Einerseits wirkt Rihanna älter, als sie nach Jahren ist, andererseits zeigt sie manchmal auch eine erstaunliche Unreife und Naivität. Sie weigert sich, einen Fuß ins Hotel Chateau Marmont zu setzen, weil sie vor Geistern Angst hat. („Man kann sie wirklich spüren, Mann. Es ist ihre Welt, nicht unsere.“) Sie freundet sich erst langsam mit Gemüse und Sushi an und kann genau einen Satz in einer fremden Sprache sagen. („Necesito un pene – Sie können ja später im Wörterbuch nachschlagen, was das heißt.“) Aber sie ist auch in der Lage, sich selbst durch den Kakao zu ziehen – etwa als wir auf die Gerüchte in der Klatschpresse zu sprechen kommen, dass sie sich mit Katy Perry überworfen habe, nachdem diese eine Affäre mit dem Musiker John Mayer begann. „Ich werde niemanden Ratschläge erteilen.“ Sie lacht. „Ich bin so ziemlich die Letzte, auf deren Lebensweisheiten man hören sollte.“

Während Marco die Teller abräumt, spricht sie über ihre neue Mode-Kollektion, die gerade auf den Markt kommt („sexy und frech, aber gleichzeitig sehr simpel und bodenständig“), und freut sich schon auf all die Sachen, die sie auf der anstehenden Tour unternehmen will: Sie möchte endlich die letzten Folgen von „Breaking Bad“ sehen und sich auch mit dem Italienisch-Sprachkurs beschäftigen, den sie schon seit zwei Jahren mit sich rumschleppt („Es kommt halt immer was dazwischen“). Sie erzählt von der Jacke, die sie Blue Ivy, dem Baby von Jay-Z und Beyoncé, geschenkt hat, und spricht auch über die Frage, ob sie eines Tages mal selbst Kinder haben will. „Aber klar doch“, sagt sie und lacht. „Lieber wär mir allerdings, man könnte sie online bestellen.“

Und dann präsentiert uns Marco die Rechnung.

Pacific Palisades ist einer von L.A.s angesagtesten Stadtteilen. Steven Spielberg wohnt hier, Tom Hanks, Matt Damon, Ben Affleck und Footballer Tom Brady mit Ehefrau Gisele Bündchen. Rihannas Haus – ein riesiges Anwesen, in dem sich auch ein Bond-Bösewicht wohlfühlen würde – zählt nicht gerade zu den diskretesten Adressen hier. Zwei Escalades parken vor dem Haus (das natürlich von einem Security-Team bewacht wird), und in der Garage stehen ein schwarzer Jeep und ein silbernes Porsche Cabrio – beides Geschenke von Jay-Z. (Sie hat noch keinen der Wagen gefahren, weil sie noch keinen Führerschein hat. „Immer kommt mir was dazwischen“, sagt sie schulterzuckend.)

Am Küchentisch sitzen zwei ihrer besten Freundinnen und eine Cousine, alle aus Barbados, essen Fruit Loops und schnattern in einem unverkennbar karibischen Dialekt. Sie alle sehen wie Mädchen aus, die sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. In diesem Kreis, sagt sie, fühle sie sich mit Abstand am wohlsten: „Wir hängen hier ab, reißen Witze und pöbeln uns nach Herzenslust an.“ Die heimische Atmosphäre scheint auch ihren eigenen Akzent rauszukitzeln, weil sie plötzlich von „de paparazzi“ oder „de blogs“ redet. Melissa ist ihr BFF – best friend forever – und das nun schon seit der Zeit, als Rihanna 14 Jahre alt war und noch in Turnschuhen und Shorts rumlief, die gewöhnlich nur Jungs trugen („sie hat mich mit Stöckelschuhen und Make-up bekannt gemacht, sie hat sich meine Haare vorgeknöpft und die Fingernägel – sie hatte damals auch schon Titten“). Aber selbst Melissa war es nicht erlaubt, sich über ihre Beziehung zu Chris Brown auszulassen. „Warum sollte ich sie da mit reinziehen?“, fragt Rihanna. „Keiner steckt in meinen Schuhen, niemand würde es verstehen.“

Sie wühlt in der Küche herum, um eine Packung „Hill’s Hot Balls“ zu finden (ein würziges Käsegebäck, das sie aus Barbados bekommt), und gibt mir dann eine Führung durchs Haus – vorbei an den römischen Statuen, den Bob-Marley-Fotos und einem kristall-besetzten Swarovski-Porträt von Marilyn Monroe. Am Schlafzimmer hält sie kurz an, um sich einen Mantel zu holen. Die weihnachtsbaumgroße Marihuana-Pflanze aus Plastik mag sie ebenso wenig kommentieren wie das Kissen mit den Worten „FUCK YOU“, sondern geht zur Terrasse hinaus, wo sie neben dem Pool Platz nimmt. Tatsächlich: Es ist ein helles, strahlendes Blau. Wir machen etwas Smalltalk, und ich frage sie, was sie neulich nach dem Comedy-Club eigentlich noch gemacht habe. „Ich war die ganze Nacht im Studio“, antwortet sie, „mit Chris.“ Und sie sagt es so beiläufig, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.

Es war eine Versöhnung, wie sie wohl nur in der modernen Medienwelt möglich war. Schon seit Mai 2011 verfolgen sie gegenseitig ihre Lebenszeichen auf Twitter. Im vergangenen Februar, an ihrem 24. Geburtstag, veröffentlichte Rihanna einen Remix von „Birthday Cake“, auf dem auch Brown zu hören war. Die erste Zeile seines Raps lautete: „Girl, I wanna fuck you now.“ Im August erzählte sie TV-Beichtmutter Oprah Winfrey, dass sie Brown noch immer liebe. Im Oktober verkündete Brown auf einer Pressekonferenz, mit seiner Freundin Schluss gemacht zu haben, weil „ich nicht will, dass sie durch meine Freundschaft zu Rihanna verletzt wird“. Zu Weihnachten sah man sie gemeinsam bei einem Basketball-Spiel der L.A. Lakers – und zu Neujahr posteten beide Fotos, die sie in Browns Bett zeigten.

Als ich sie vor zwei Jahren interviewte, behandelte sie das Thema mit erstaunlicher Fassung und Diskretion. Sie wollte sich über das Ende ihrer Beziehung nicht auslassen. Sie fühle sich ihm noch immer verbunden und wünsche ihm nur das Beste. (Ganz anders Brown, der am nächsten Tag bei einem Fernseh-Interview über die Fragen nach Rihanna derart empört war, dass er sich hinter der Bühne das Hemd vom Leib riss und mit einem Stuhl ein Fenster zertrümmerte.) Sie machte aber deutlich, dass sie nicht zu ihm zurückkehren werde, ja nicht mal mit ihm reden wolle. Was also war in der Zwischenzeit passiert?

Eingehüllt in ihren riesigen Mantel sitzt sie am Pool, hat die Füße mit den rot-schwarzen Reebok-Stiefeln an sich herangezogen – und wirkt auf einmal viel kleiner und zerbrechlicher als das überdimensionale Geschöpf, das wir aus der Öffentlichkeit kennen. Sie sagt, dass sie lange Zeit wütend auf ihn gewesen sei. „Ich wollte ihn spüren lassen, was es bedeutet, mich zu verlieren. Er sollte die Folgen am eigenen Leib spüren.“ Sie ging damals davon aus, dass sie ihn tatsächlich nie wiedersehen würde, „aber als die Scheiße“ – sie meint die Liebe – „dann wieder zurückkam, traf es mich wie eine Tonne Ziegelsteine. Man sagt sich:, Das darf doch alles nicht wahr sein‘, aber als ich mir in die Augen schaute, wusste ich, dass ich meine Gefühle nicht mehr verbuddeln konnte. Und ich war wild entschlossen, mich von den Meinungen anderer Leute nicht irritieren zu lassen. Vielleicht ist es ja ein Fehler, aber es ist mein Fehler.“

Zum ersten Mal schaut sie mir direkt in die Augen. „Moment mal“, sagt sie, „glauben Sie etwa, dass ich Chris auf den Pfad der Tugend zurückführen will? Nein, nein, nein. Das ist nicht meine Absicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir noch einmal die gleichen alten Fehler machen. Wenn er mir noch mal mit der Scheiße kommt, werd ich mich umdrehen und gehen. Er hat nicht den Luxus, unsere Beziehung noch einmal abzufucken. Diese Option gibt’s einfach nicht.“

Rihanna weiß, was die Leute hinter ihrem Rücken tuscheln: dass sie naiv und weltfremd sei, dass die Statistiken gegen sie sprechen, dass sie ein lebendes Klischee und das geborene Opfer sei. Und vielleicht haben die Leute ja recht. Was aber nicht heißt, dass sie sich willenlos herumschubsen lässt – und dass man ihre Liebe als Schwäche auslegen sollte. „Das Wort schwach gibt’s in meinem Wortschatz nicht“, sagt sie. „Ich hätte diese Erfahrung nicht überlebt, wenn ich schwach wäre. Nie und nimmer.“

Es wird kalt draußen. Die Sonne ist untergegangen. Drinnen sitzen ihre Freundinnen noch immer am Küchentisch und schnattern. Rihanna geht ins Haus, um sich für die Proben umzuziehen.

Ein paar Tage zuvor, bei unserem gemeinsamen Abendessen, sprach Rihanna über ihr altes Haus und den Pool, der auf sie wie ein dunkler See wirke. Sie war davon überzeugt, sich von dem Haus trennen zu müssen. „Es gab einfach zu viel Ärger“, sagte sie. „Es regnete rein, der Schimmel machte sich breit – und alle zwei Wochen gab’s ein neues Problem. Es war wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich etwas unternehmen musste. Aber ich tat nichts, weil sich etwas in mir sträubte. Ich liebte das Haus nun mal und hatte viele Ideen investiert, um es zu meinem Zuhause zu machen. Aber irgendwann kam der Punkt, wo’s einfach nicht mehr lebenswert war. Ich musste es verkaufen.“

„Echt Scheiße“, sagte ich, ohne groß drüber nachzudenken. Es war nur eine Floskel, die man in solchen Situationen von sich gibt. Doch Rihanna unterbrach ihren Redefluss und sah mich entschieden an. „Nein“, sagte sie mit Nachdruck. „Es war nicht Scheiße. Es war die absolut richtige Entscheidung. Anfangs drückte ich mich noch herum, weil ich nicht wusste, ob wirklich der Zeitpunkt gekommen war. Aber als ich dann meine Entscheidung getroffen hatte, war’s wie:, Ja. Bestens. Abgehakt.'“

Unternehmen Rihanna

Tonträger
Rihanna verkaufte bislang 37 Millionen Alben, 50 Millionen Singles und 146 Millionen Download-Tracks (womit sie als erfolgreichste Digital-Künstlerin aller Zeiten gilt). Madonna verkaufte bisher 159 Millionen Alben und Singles

Hits
Die Single „Diamonds“ eroberte in 27 Ländern Platz eins der Charts und stieg in 55 Ländern direkt in die Top 5 ein. „We Found Love“ war Rihannas 20. Top-Ten-Single in den USA in Folge und ihre elfte US-Nr.-Eins

Twitter
Rihanna hat 28.097.747 Follower

Facebook
66.001.286 „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook. Das sind rund 55.000.000 mehr als bei Madonna (und immerhin 10.000.000 mehr als Lady Gaga)

Grammys
Sie gewann bisher sieben Grammy Awards und sieben Billboard-Music-Awards in ihrer knapp achtjährigen Karriere. Madonna hat zehn Grammys in gut 30 Jahren bekommen

Einfluss
Das „Time Magazine“ wählte Rihanna auf Platz acht der „100 Most Influential People“

Rekorde
Im November 2008 standen acht Songs ihres Albums „Good Girl Gone Bad“ gleichzeitig in den US-Hot-100-Charts. Sie ist die erste Künstlerin, die jemals vier Nummer-eins-Hits in einem Jahr in den USA hatte. Vom 8. Juni 2007 bis 15. Mai 2009 war sie für 100 Wochen ununterbrochen in den deutschen Single-Charts vertreten, so lange wie keine andere Künstlerin vor ihr. Als erster weiblicher Künstler gab sie zehn Konzerte in der Londoner O²-Arena hintereinander. Den Rekord hielt bislang Britney Spears mit acht Gigs

Extensions
Im Frühling 2013 kommt ihr Parfüm „Nude“ auf den Markt, ihre Mode-Kollektion beim britischen Label River Island erscheint am 5. März. Sie war das Gesicht für Werbekampagnen von Gucci, Armani Jeans, Nivea u.a.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates