Zwischen Heu und Hollywood

Diverse US-Filmstudios warfen schon ein Auge auf ihn, doch Blasters-Gitarrist James Intfeld bleibt heubodenständig

Auf dem Foto seines Führerscheins sieht er aus wie Charles Manson. James lacht und erzählt, daß er sich damals gerade auf seine Rolle in Sean Penns „Indian Runner“ vorbereiten mußte. Er spielt den psychopathischen Hippie, der sich mit dem guten Cop eine wilde Verfolgungsjagd liefert und schließlich mit der Pump-Gun weggeblasen wird.

Ein schlechter Film. Aber eine gute Rolle. Vielleicht ein bißchen kurz, aber ansonsten genau das Richtige für ihn. Inzwischen wieder bartlos, sieht der Mann jedoch nicht sonderlich gefährlich aus. Eher wie der personifizierte Traum eines jeden Produzenten. Was sicherlich James Intvelds größtes Problem sein dürfte.

Ergo seufzt er: „Bis jetzt wollte noch jeder Produzent und jede Firma einen Star aus mir machen. Aber dann auch die Songs bestimmen und die Klamotten aussuchen«.“

Kein Wunder. James sieht nicht nur gut aus. Er hat auch diesen Multimillionen-Dollar-Blick in den braunen Augen. Marke: Richtig traurig, aber immer auf der Suche. Als ob er nur darauf warte, endlich eine verwandte Seele zu finden, um über all die Dinge loszusprudeln, die er schon ewig loswerden will.

Vielleicht hängt das ja mit seinem kleinen Bruder zusammen: Ricky Intveld war Schlagzeuger bei Ricky Nelson. Er stürzte mit ihm und dem Rest von dessen Stone Canyon Band auf dem Flug nach Dallas in der Nähe eines Kaffs namens De Kalb ab.

Das war Mitte der Achtziger. James hing danach lange nur in Bars herum und spielte Wandergitarre. Seine Stücke waren meist ziemliche Schleicher. Aber gut. Die Country-Sängerin Rosie Flores nahm das im Vergleich zu seinen anderen Songs schon fast hemmungslos swingende „Cryin‘ Over You“ auf und landete prompt ihren ersten Top-40-Hit.

James jedoch war plötzlich ein gefragter Mann. Er spielte ein paar Jahre lang in der Band von Rosie Flores und bei den Repo Men von Harry Dean Stanton.

Irgendwann erfuhr er, daß die Universal Filmstudios verzweifelt einen Profi für den Soundtrack von „Cry Baby“ suchten. Johnny Depp hatte zwar jede Menge Demos aufgenommen, aber Regisseur John Waters blieb nicht viel mehr als die Erkenntnis, daß sein Hauptdarsteller definitv nicht singen konnte.

Bei Waters mußte James ständig an diese eine Szene aus „Pink Flamingos“ denken: „Die mit der Hundescheiße. Doch im Studio war John eigentlich überraschend normal.“

Johnny Depp hingegen war die Nettigkeit in Person. Er hatte allerdings auch keine andere Wahl, denn James schien direkt von Gott gesandt. Er sang „Teardrops Are Falling“ exakt so wie damals die Five Wings. – Und zwar im Alleingang!

Fragt sich nur, ob Intveld lediglich eine weitere Version des „Künstler als wanderndes Rock’n’Roll-Museum“ ist. Gut, hin und wieder rutscht er zwar mal auf einem Fettfleck von Roy Orbison aus – aber eigentlich geht’s ihm weniger um bloße Reproduktion der Stimmen Verstorbener.

James lächelt. Das Leben eines Rock’n’Rollers in den Neunzigern ist irgendwie schizophren. Es kann aber auch ganz lustig sein.

Als Rockabilly-Kollege Ray Campi ihm vor einiger Zeit erzählte, daß Bear Family Records noch Stücke für eine CD-Box zum 20jährigen Firmenjubiläum suchten, die etwas mit Meister Petz zu tun hätten, schrieb James das wundervoll verzweifelte „Barely Hanging On“. Echte Bären kamen im Song zwar nicht vor, aber die Leute von Bear Family waren trotzdem hin und weg. -James durfte sich ein Studio mit einer alten 8-Spur-Maschine suchen und alles alleine aufnehmen. „Ich war glücklich wie ein Kind, denn die Bear Family genießt einen legendären Ruf.“

Hauptberuflich ist James heute zwar Gitarrist bei den Blasters und mit ihnen bei BMG gelandet. Doch bei der Bear Family kann er nebenbei ganz unbeschwert an seiner kleinen Rock’n’Roll-Welt stricken und darf sein gleichnamiges Bear-Debüt sogar auf Vinyl veröffentlichen.

„Und wenn man mich läßt, dann nehme ich beim nächsten Mal eine richtige Biker-Platte auf. Songs über Biker und Hot Rods.“

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