Yoko Ono: Geburtstagskonzert in der Volksbühne

We Are Family: Yoko Ono feiert mit der Plastic Ono Band ihren 80. Geburtstag an der Berliner Volksbühne. Zahlreiche Gäste wie Rufus und Martha Wainwright, Peaches, Michael Stipe und Robyn Hitchcock feiern mit.

Als Yoko Ono an ihrem 80. Geburtstag auf die Bühne kommt und mit ihrem Sohn Sean augenblicklich in ausufernden Impro-Rock startet, ergibt sich eine plötzliche Erkenntnis. Vielleicht ist Yoko Ono bei vielen Menschen nicht etwa unbeliebt, weil sie die Beatles auseinandergebracht haben könnte, oder weil sie John Lennons kreative Energie in andere Bahnen gelenkt hat. Sondern vielleicht einfach, weil ihre Stimme ganz schön an den Nerven zerren kann.

Gleich zum Einstieg erkundet sie gellend alle denkbaren Hochfrequenz-Bereiche, während die Plastic Ono Band, unter anderem bestehend aus Yuka Honda (Cibo Matto), deren Ehemann Nels Cline (Wilco u.a.) sowie Seans Modelfreundin und „Ghost Of A Saber Tooth-Tiger“ Bandmate Charlotte Kemp Muhl sich in ausuferndenden Improvisationen austobt. Keine gefällige Musik, kein altersmilder Varieté-Abend am Flügel mit „I Did It My Way“-Rückschau. Eine Reihe vor mir bohrt ein kleines Mädchen sich die Finger so tief in die Ohren, dass seine Mutter ihr auf die Hände hauen muss, um schlimmere Schäden zu vermeiden.

Im Gegensatz zu den Beatles war Yoko Onos musikalischer Output eben nie etwas für Kinder.

Yoko Ono selbst lächelt kindlich und wirkt alles in allem auch etwas bei der Hand genommen. Ein bisschen zu langsam und immer etwas aus dem Takt schwingt sie zur psychedelischen Musik der Plastic Ono Band die Hüften und hält dabei nur inne, um auf ihre Text-Blätter zu schielen. Aber sie hat sichtlich Spass dabei, und die Band ebenso, und alle sind ihr zuliebe gekommen, aus Respekt, aus Achtung, aus Freundschaft. Dass sie mal das Mikro und mal die Lyrics vergisst, ihre Notenblätter fallen lässt und etwas irritiert mit ihrem Sohn tuschelt, könnte auch an der Aufregung liegen. Es ist immerhin ihr 80. Geburtstag, ein Alter in dem die meisten wohl nicht mal mehr die Kraft haben um auf den Treppenlift zu warten.

Im zweiten Teil des Abends schlägt die Band etwas ruhigere Töne an, und nicht wenige im Publikum applaudieren erleichtert, als sie die etwas konventionelleren Songstrukturen von „Walking On Thin Ice“ erkennen. Bei „I’m a Witch“ bittet Sean dann eine „Freundin aus Berlin“ auf die Bühne, worauf die Exil-Berlinerin Peaches in einem Sumpfmonster-Catsuit erscheint. Sie rappt und rockt den starken Song über Selbstbestimmung im Stand und nicht zu doll, damit sie die neben ihr herbimmelnde Yoko Ono nicht umwirft. 

Auf die erste stille, von Sean am Klavier begleitete Zugabe folgt dann das große Geburtstagsfinale. Die Band hat sich mittlerweile „War Is Over“-T-Shirts übergestreift und zwei weitere Ehrengäste werden auf die Bühne gebeten – worauf Rufus und Martha Wainwright in unscheinbaren Privatklamotten der ersten Reihe entsteigen. Erst allein und dann gemeinsam mit dem Publikum schmettern sie „Zum Geburtstag Viel Glück“. Auf deutsch wohlgemerkt.

Überhaupt, warum eigentlich Berlin? Sean erklärt den glücklichen Umstand dem Publikum: Seine Mutter liebt Berlin und wollte an diesem Tag an keinem anderen Ort der Erde feiern. Auch Brecht und Weill bedeuten ihr die Welt, und sie selbst habe vor Jahren die Vermutung geäußert, in einem früheren Leben schon einmal in der Stadt gelebt zu haben. Leicht bissig bittet Sean die sitzenden Zuschauer-Reihen die „deutsche Coolness“ fahren zu lassen und ein bisschen mehr mitzusingen, auch auf die Gefahr hin, dass es sich kitschig anfühlen könnte. Das Publikum lässt sich das nicht zweimal sagen und steht geschlossen auf. Und plötzlich ist auch die Bühne voll, denn weitere prominente Gäste haben sich dazugesellt: Michael Stipe und Robyn Hitchcock stehen plötzlich unscheinbar zwischen den Singenden und teilen sich mit Peaches ein Mikro. Und auch Martha und Rufus und alle anderen rücken eng aneinander und teilen sich die Mikrophone um Yoko ein Ständchen zu singen während ein Geburtstagskuchen auf der Box vor sich hinflackert. Das Geburtstagskind selbst steht mit seinem schwarzen Hut und der schwarzen Weste wie ein kleiner glücksbringender Schornsteinfeger in der Mitte und lächelt selig vor sich hin.

Am Ende kommt Yoko noch einmal allein auf die Bühne und leuchtet mit einer kleinen Taschenlampe ins Publikum. „Um euch daran zu erinnern, dass ich euch liebe“. We are Family.

Den bildnerischen Teil von Yoko Onos Lebenswerkes kann man übrigens ab sofort in der vom Rolling Stone präsentierten Retrospektive in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle sehen. Das exklusiv für uns gestaltete Flip-Cover der aktuellen Rolling Stone-Ausgabe bietet dazu einen ersten Eindruck.   

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