6. April 1974: Abba beim „Grand Prix Eurovision“

Vor dem 6. April 1974 waren Abba vor allem eines: Eine schwedische Band, die seit 1972 in ihrem von der Popkultur nur oberflächlich geküssten Heimatland durchaus erfolgreich war, die im Rest der Welt aber noch keinen nennenswerten Eindruck hinterlassen hatte. Einige ihrer im Original schwedischsprachigen Songs hatten Abba zwar auch mit deutschen und englischen Texten veröffentlicht, was jedoch in beiden Sprachräumen auf bestenfalls freundliches Desinteresse gestoßen war. Was sich alles schlagartig änderte, als Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Anni-Frid Lyngstad und Agnetha Fältskog an besagtem Aprilabend des Jahres 1974 beim „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ im „Dome“ zu Brighton auftraten. Nicht, dass es keine Konkurrenz gegeben hätte, Olivia Newton-John etwa ging für England an den Start, Italiens Gigliola Cinquetti war europaweit bekannt, was auch für die unter Luxemburgischer Flagge singende Britin Ireen Sheer und das niederländische Duo Mouth Et MacNeal galt. Doch gegen Abba, genauer gesagt gegen die Turbo-Schwedin Agnetha mit ihren glitzernden Piateustiefeln, gegen Space Cadet Björns sternförmige Hagström-Gitarre, gegen Anni-Frids Lockenpracht, Bennys Rüschenhemd und den eingängigen Schlagerpop von „Waterloo“ war der Rest Europas einfach chancenlos. Die Betonung von „Schlagerpop“ lag eindeutig auf der letzten Silbe, der Song hatte Drive und wurde zudem noch frisch und fröhlich präsentiert: Ein kleines Stückchen Glampop im trüben Pfuhl der Schlagerbiederkeit. Knackiger Song, knackig interpretiert, doch was den vornehmlich männlichen Juroren und natürlich auch den genetisch gleich gelagerten Fernsehzuschauern den Rest gab, war die schiere Präsenz der beiden Sängerinnen. Was den zeitgenössischen Männer-Selbsterkundungs-Gesprächen an einer Münchner Grundschule in aller Unschuld einen ganz neuen Aspekt hinzufügte: „Geha oder Pelikan? Bayern oder 60? Die Blonde oder die Dunkle?“ Das Phänomen Abba auf den offenkundigen Sex-Appeal der Sängerinnen zu reduzieren, ist natürlich blanker Unsinn: Die Band setzte nach „Waterloo“ zu einer Weltkarriere sondergleichen an, weil Ulvaeus und Andersson Songwriter mit einem begnadeten Händchen für Popmelodien waren, weil ihre Arrangements die überragenden gesanglichen Fähigkeiten der beiden Damen perfekt in Szene setzten. Aber angefangen hatte dieser Pop-Triumphzug der siebziger Jahre in Brighton. Und im Fernsehen. Fürs deutsche Publikum live kommentiert von Tagesschausprecher Werner Veigel. ausgestrahlt.

ihr schnell das Image einer „Fernseh-Marilyn“ eingetragen.

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