Ist Kerry King von Slayer eigentlich ein guter Gitarrist?

Riffs und Soli aus der chromatischen Muckibude: Kerry King polarisiert in der Gitarrenwelt.

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"Seit den frühen 80er-Jahren gelten Slayer als eine der bedeutendsten Bands der Metal-Geschichte. Das Gitarren-Duo Jeff Hanneman und Kerry King veränderte die Metal-Gitarre mit seinen harten, gnadenlosen Riffs und den oft dissonanten, chromatischen Soli. Während Jeff Hanneman gemeinhin als der bessere Solist der beiden gilt, ist Kerry King als Figur umstritten. King polarisiert – sowohl als Typ als auch als Gitarrist. Viele empfinden vor allem seine Soli als uninspiriert, völlig willkürlich, als chromatisches Herumgetänzel ohne Sinn und Zweck. Wie jetzt: Ist Kerry King ein guter Gitarrist oder nicht?

Kerry King: Gitarrensoli mit Chromatik galore!

Widmen wir uns zunächst den Gitarrensoli von Kerry King – denn sie bieten am meisten Angriffsfläche. Klar ist: King ist vielleicht kein klassischer Solist, der mit wohlkomponierten, melodisch durchdachten Gitarrenläufen glänzt. Seine Soli sind vielmehr dissonante, chromatische Unterfangen – Maschinengewehrsalven, sirenenartige Geräusche, die weniger als virtuose Einlagen gedacht sind, sondern vielmehr die düstere, aggressive Atmosphäre der Songs unterstreichen sollen. Bundzahl? So hoch wie möglich!

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Mitsingen kann man ein Kerry-King-Solo jedenfalls nicht. Das überlässt er lieber Bands wie Iron Maiden oder Judas Priest – von denen er, eigenen Aussagen zufolge, beeinflusst wurde. Kerry-King-Soli auswendig zu lernen, ist – das weiß jeder Gitarrist – keine große Freude. Denn eine gewisse Zufälligkeit, ein Mangel an Struktur, ist ihnen kaum abzusprechen. Und ja, dass Jeff Hanneman der bessere Solist bei Slayer war – daran dürfte tatsächlich etwas dran sein.

„Weeeeeeee weeeeeee weeee“

In Gitarristenkreisen gibt es sogar den Running Gag: „Mein Lieblingssolo von Kerry King ist das, das so geht: weeeee weeeeee weeeee.“ Das impliziert: Für manche klingen seine Soli alle gleich. Wenig ambitionierte Gitarrenakrobatik an den oberen Bünden, keine Skalen, keine klassischen Läufe. Tonleitern? Brauchen Slayer nicht – alles chromatisch. Jeder Ton geht. Trotzdem: keine Zwölftonmusik im klassischen Sinn. Wäre die Metalwelt ohne die Soli von Kerry King viel ärmer? Vielleicht nicht. Aber ohne seine Riffs und Songs – ganz bestimmt.

Kerry King

Kerry King: Muskulöse Riffs mit Tribal-Tattoos

Und seien wir ehrlich: Kerry Kings Riffs sind wie er selbst – muskulös, imposant. Wären diese Riffs Menschen, sähen sie aus, als hätten sie Tribal-Tattoos, eine Glatze und trügen den ganzen Tag eine Sonnenbrille. Sie ähneln, genau wie King, dem verstorbenen WWF-Wrestler Macho Man Randy Savage. Wenn die Riffs mal Freizeit haben, dann pumpen sie im Fitnessstudio und kippen einen Energydrink nach dem anderen.

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Und mal ehrlich: Kerry King schrieb an einigen der größten Metal-Songs der Geschichte mit – unter anderem bei „South of Heaven“ und „Disciple“.
Er war es, der Slayer am Laufen hielt, nachdem Jeff Hanneman aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen konnte – und später auch nach dessen allzu frühem Tod.

King ist wie Motörhead und The Ramones.

King weiß, was er will. Und genau wie die Ramones oder Motörhead machte er niemals Kompromisse. Er machte auch keinen Hehl daraus, dass er nicht vorhat, seinen Stil zu verändern. Ja, es gab ein Punk-Album von Slayer (Undisputed Attitude, 1996) – das war Jeff Hannemann geschuldet. Kerry King aber blieb seinen anabolen Riffs und Serien-Soli Zeit seines Lebens treu.

Ist King ein guter Gitarrist? Die Frage ist irgendwie so, als würde man fragen: Ist Johnny Ramone ein guter Gitarrist? Die Antwort: Es ist im Grunde völlig egal. Technisch gibt es im Metal viele, die um Welten besser sind – aber darum geht es in dem Fall eigentlich nicht so wirklich. Zweifellos sind Kings Soli keine großen Meisterwerke im klassischen Sinn, seine Riffs schon viel, viel eher, seine Songs ganz bestimmt. Denn über Slayer – da sind wir Metal-Fans uns doch einig – geht eigentlich wenig bis nichts, oder?

Dieter Jakob