Billie Marten
„Dog Eared“
Fiction/Virgin (VÖ: 18.7.)
Die britische Sängerin liefert ihr Meisterstück.
Auf dem Cover ihres bereits fünften Albums erscheint das Konterfei der sympathischen Folk-Sängerin aus Yorkshire in Form einer Zeichnung. Das geht Hand in Hand mit einer neuen Darstellungsweise ihrer Musik. Die Transformation geschah mit äußerst viel Feingefühl. Die als Isabella Sophie Tweddle geborene Singer-Songwriterin nähert sich uns immer noch auf Zehenspitzen und mit Samthandschuhen, aber ist die Infusion erst einmal vollzogen, geht sie unmittelbar ins Blut über.
Billie reiste hierfür nach New York, wo sie ihr ganzes Vertrauen in den Produzenten Phil Weinrobe (Laura Veirs, Adrianne Lenker, Cass McCombs) steckte, der für einen warmen Sound sorgte, der sehr auf Rhythmus basiert. Er versuchte den Live-Moment einzufangen, bei dem die Musiker den Atem des anderen spürten. Gleichzeitig legte Billie vermehrt Wert auf Struktur – erkannte sie doch schon von Kindesbeinen an Struktur in allen Dingen, wie in Teppichen oder Wassertropfen. Das scheue Reh präsentiert sich dabei als selbstbewusste, würdevolle Frau, die trotz aller Ängste und Depressionen angekommen zu sein scheint.
Begleitet wurde die Engländerin von diversen großartigen Musikern, die sich alle in Zurückhaltung üben, wie Sam Evian, Sam Amidon, Adam Brisbin, Vishal Nayak oder Josh Crumbly. Lediglich Núria Graham schleicht sich manchmal mit der Rhythmusgitarre nach vorn. Dazu erzählt Billie herzzerreißende Geschichten wie jene vom „Leap Year“ über ein „Paar“, das nur jedes Schaltjahr für einen einzigen Tag eines sein darf. Die Dramatik der Konstellation wird durch eine psychedelische und beatleske Gitarre einfühlsam unterstrichen. Ebenso mitreißend: die sacht galoppierende Single „Crown“. Willkommen in der obersten Etage!
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 8/2025.