„The Osbournes“ zertrümmerte Rock-Mythen und veränderte das TV
Ozzy Osbourne zeigte sich und seine Familie ungeschminkt bei MTV - und das Reality-TV war erfunden.
Ein Mann, der seine Fernbedienung nicht finden kann und barfuß und reichlich verwirrt durch seine Villa taumelt, um sie zu finden. Das war Ozzy Osbourne, wie er in „The Osbournes“ zu sehen war. Der Sänger von Black Sabbath, der in eine Fledermaus biss und als Godfather of Metal für allerhand Exzesse sorgte. Hier plaudert er mit seinen Hunden und macht seine Kinder Kelly und Jack zur Sau, wenn sie nicht hören wollen.
Wenn es irgendwo einen Buchhalter des Rock gibt, er hätte wohl bei all dem, was in der von 2002 bis 2005 ausgestrahlten Family Soap zu sehen war, die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Ozzy zertrümmerte mit den gerade einmal 55 Episoden so ziemlich jeden Rockstar-Mythos. Er zeigte sich als hilfloser Alkoholiker, er gab sich als zerbrechliches Halbwesen.
„The Osbournes“ prägte einen neuen Authentizitätskult
Diese gewollt herbeigeführte Kontrastwirkung zwischen Image und Wirklichkeit war Anfang der 2000er revolutionär. Sie entmystifizierte nicht nur Ozzy selbst, sondern das gesamte Narrativ vom unangreifbaren Rockstar. Nebenbei erfanden die Osbournes auch das Reality-TV mit Celebrity-Einschuss, wie es inzwischen nicht mehr aus dem Fernsehen entsorgt werden kann.
Vor der Serie war der Blick auf die Stars entweder medial inszeniert (in Talkshows oder Hochglanzmagazinen) oder von Paparazzi und selbst herbeigeführten Skandalen voyeuristisch aufgeladen. Die Osbournes aber verwandelten familiäre Banalität in Unterhaltung.
Die Serie wurde zur Blaupause für Formate wie „The Kardashians“. Von all den prominenten Nachfolgern unterschied sich die Reihe aber durch ihre Unbeholfenheit. Diese Familie war eigensinnig, aber sie kämpfte – mal gegeneinander, mal füreinander.
Anschlussfähig für viele Formen von Trash-TV, zeigten die Osbournes aber auch eine tragische Tiefe. Man erlebte Sharon Osbournes Krebserkrankung hautnah mit, sah Jacks Drogenprobleme, fühlte sich beschämt von Kellys Unzufriedenheit mit sich selbst. Und über allem thronte die Verwirrtheit von Ozzy. Die Serie zeigte, wie fragil das Leben trotz Ruhm und Reichtum sein kann.
Man kann „The Osbournes“ heute kaum noch ansehen, weil die Serie so naiv wirkt in ihrer inszenierten Uninszeniertheit. MTV war danach kein Musiksender mehr, aber das ist eine andere Geschichte. Dieses Format lehrte jedenfalls, dass es gerade in dieser ungeschönten künstlichen Welt fernab all der „normalen“ Probleme sehr viel Aufrichtigkeit zu entdecken gibt. Ein Konzept, das später selbst noch im Influencer-Kult des sozialen Internets aufgehen sollte und bis heute nachwirkt.
Die Serie brachte Ozzy ein Comeback, die begleitende Single „Dreamer“ fand sogar ihren Weg in die Playlist junger Vermählter, die noch nie etwas von Black Sabbath gehört haben. Das Interesse an der Familie des Musikers, der musikalisch noch einige Erfolge feierte, aber mit schweren Erkrankungen und Schicksalsschlägen eine harte Leidenszeit durchmachte, wollte danach nicht mehr versiegen.
Die Osbournes wurden zu einer von Amerikas berühmtesten Familien. Ozzy, Sharon, Kelly und Jack spiegelten die Sehnsucht, gesehen zu werden – allerdings nicht als Ikone, sondern als eine verschworene Bande von Chaoten.