„Alien: Earth“ bringt neue Monster, große Ideen und ein bisschen Feenstaub

Noah Hawleys Serienergänzung „Alien: Earth“ verbindet eine Peter-Pan-Geschichte mit den ursprünglichen Filmgeschichten – und es funktioniert größtenteils

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Noah Hawley sagte kürzlich über seinen Plan für „Alien: Earth“, die erste Fernsehserie, die auf der ikonischen Science-Fiction/Action-Horror-Filmreihe basiert: „Stell dir vor, es gäbe fünf Filme über die White Walkers, und ich mache dann ‚Game of Thrones‘.“

Hawley ist ein Schöpfer, dem es nie an Selbstvertrauen in seine eigene Arbeit mangelte. Noch war er je schüchtern darin, dieses Selbstvertrauen auszudrücken. Dennoch wurde er bereits mit einer sehr hohen Messlatte konfrontiert, als er eine „Alien“-Fernsehserie erschuf, da die ersten beiden Filme des Franchise universell geliebt werden und überzeugende Argumente als die besten Horror- bzw. Actionfilme aller Zeiten liefern. Vergleiche mit „Game of Thrones“ zusätzlich zur Arbeit von Ridley Scott und James Cameron einzuladen, sollte auf dem Papier völliger Unsinn sein. Insbesondere, da die unerbittliche, nahezu unzerstörbare Natur des berühmten Xenomorphs aus den Filmen nicht gerade dafür prädestiniert erscheint, in einer fortlaufenden Fernsehserie zu funktionieren, die nicht jede Woche den Großteil ihrer Charaktere töten kann.

„Alien: Earth“: Ein riskantes Konzept mit erstaunlichem Ergebnis

Doch wie er es bereits mit „Fargo“ getan hat – einem klassischen und beliebten Film, den er in eine langjährige, preisgekrönte Anthologie-Serie verwandelte –, hat Hawley ein Konzept genommen, das eigentlich nicht fürs Fernsehen geeignet scheint. Und es in etwas Spannendes, Seltsames und Überraschendes verwandelt. „Alien: Earth“ hat seine Schwächen. Insbesondere in Bezug auf das Xenomorph-Problem. Aber es gelingt der Serie, den ursprünglichen Film heraufzubeschwören, ohne sich sklavisch daran zu orientieren. Zudem findet sie faszinierende Möglichkeiten, Konzepte weiterzuentwickeln, die in den Filmen nur im Hintergrund erwähnt wurden. Konzepte, die während Sigourney Weavers Flucht um ihr Leben keine Erzählzeit erhielten.

„Alien: Earth“ spielt zwei Jahre vor den Ereignissen des ersten Films der Reihe. Es ist das Jahr 2120. Regierungen gehören der fernen Vergangenheit an. Die Kontrolle über die Erde ist nun unter fünf Megakonzernen aufgeteilt. Einer davon ist Weyland-Yutani, ein zentrales Element der Filme, der in dieser Serie die Besatzung des Raumschiffs Maginot beauftragt hat, gefährliche außerirdische Proben – darunter ein Xenomorph – zu sammeln und zur weiteren Forschung zur Erde zurückzubringen. (Der zweite Film, „Aliens“, führte die Idee ein, dass Weyland-Yutani die Xenomorphs als unaufhaltsame Biowaffen einsetzen will.) Doch die Maginot stürzt stattdessen in einem Teil Südostasiens ab, der zum Einflussbereich von Prodigy gehört. Einem Konzern, gegründet von Boy Kavalier (Samuel Blenkin), einem übergroßen Kind, das von Peter Pan besessen ist und barfuß im Pyjama durch seine Forschungseinrichtung stolziert.

Kindliche Unsterblichkeit trifft tödliche Biologie

Zum Zeitpunkt des Maginot-Absturzes hat Kavalier seine eigene unsterbliche Version der „Lost Boys“ erschaffen, indem er die Gedanken einer Gruppe todkranker Kinder in alterslose synthetische Körper transplantierte – ähnlich wie Ash, Bishop oder hier Kirsh (Timothy Olyphant), jedoch mit Erinnerungen an ihre Kindheit und Persönlichkeiten, die noch nicht zu ihren erwachsenen Erscheinungen passen. Die erste und beeindruckendste dieser Gruppe nennt sich selbst Wendy (Sydney Chandler). Als sie erkennt, dass ihr älterer Bruder Hermit (Alex Lawther) Teil des Such- und Rettungsteams ist, das die Absturzstelle untersucht, überzeugt sie Kavalier, sie, die anderen „Lost Boys“ und Kirsh zur Untersuchung zu entsenden.

Es gibt nahezu sofort logische Probleme, die sich über mehrere Episoden hinweg fortsetzen. Wie konnte eine nicht-militärische Besatzung überhaupt einen Xenomorph einfangen und gefangen halten? Warum würde Boy Kavalier seine milliardenschweren Prototypen – Beta-Tests für einen Plan, der den reichsten Menschen der Erde ewiges Leben in Körpern wie Wendys ermöglichen soll – für eine so gefährliche Mission riskieren? Warum setzt Hermit nach einer ersten Begegnung mit einem Xenomorph einfach seine Suche nach Überlebenden fort, anstatt jemanden über das monströse Wesen mit mehreren Kiefern zu informieren, das er gerade gesehen hat? Und wie gelingt es mehreren Personen, einem solchen Wesen zu entkommen oder es – in einer größtenteils offscreen gezeigten Sequenz – gar zu töten? Zudem führen verschiedene Ereignisse und Erkenntnisse über die Kreaturen dazu, dass weite Teile von „Aliens“ plötzlich deutlich weniger Sinn ergeben.

Alte Schrecken, neue Ideen

Um fair zu bleiben: Die ursprünglichen Autoren Dan O’Bannon und Ronald Shusett machten den Xenomorph zu einer derart potenten und vielseitigen Bedrohung, dass spätere Erzähler oft Mühe hatten, nicht einfach alle Menschen innerhalb der ersten 15–20 Minuten eines Films sterben zu lassen. Innerhalb selbstständiger Filme, die meist sehr begrenzte Zeiträume abdecken, funktionierte das jedoch meist – selbst wenn die Filme, wie „Alien: Resurrection“, andere Probleme hatten. Für eine Serie mit acht Episoden in der ersten Staffel – und womöglich mehr kommenden Staffeln – fällt das deutlicher auf.

Doch Hawley stellt dem bekannten Filmmonster eine Vielzahl neuer Kreaturen zur Seite, die beim Absturz der Maginot freigesetzt werden. Jede davon ist auf ihre eigene Weise albtraumhaft widerlich (mit Untertiteln wird die Bewegung eines Wesens etwa als „[leises Quietschen]“ beschrieben – treffend) und hat ihre eigene makabre Methode, den menschlichen Körper anzugreifen. Ein augenbezogenes Alien ist so unheimlich und kreativ eingesetzt, dass man sich problemlos einen eigenen Film vorstellen könnte, in dem es die Crew eines Bergbauschiffs terrorisiert.

Gesellschaftskritik im Xenomorph-Gewand

Hawley folgt dabei der Tradition späterer Filme der Reihe – einschließlich Ridley Scotts eigenem „Prometheus“ –, das Vermächtnis des Xenomorphs und der ganzen Franchise als Trojanisches Pferd zu nutzen, um größere Ideen in die Geschichte einzuschleusen. In diesem Fall behandelt „Alien: Earth“ viele der Probleme, über die wir derzeit auf unserer Erde diskutieren: die entmenschlichenden Effekte des Spätkapitalismus, die Gefahren künstlicher Intelligenz, durchdrehende Tech-Bros ohne Sicherheitsmechanismen und die extremen Mittel, mit denen Superreiche versuchen, ihr Leben über die Grenzen der menschlichen Biologie hinaus zu verlängern.

Manche Teile dieser Kritik fügen sich eleganter ein als andere – etwa eine Szene, in der Hermit auf eine ausschweifende, von Ludwig XIV. inspirierte Party stößt, deren milliardenschwere Gäste sich weigern, ein Gebäude zu evakuieren, in das gerade ein Raumschiff gestürzt ist. Diese Szene ist so offensichtlich, dass sie fast zu offensichtlich ist – aber die Serie bleibt durchdacht, auch wenn sie dem Zuschauer ansonsten Angst bis auf die Nanohose einjagen will (was ihr meist auch gelingt).

Die „Lost Boys“ allgemein – und Wendy im Besonderen – erweisen sich als so faszinierend, dass andere Schwächen kaum ins Gewicht fallen, insbesondere nach den ersten paar Episoden. Die Idee, dass Kindergehirne in übermächtigen Erwachsenenkörpern operieren, sollte albern wirken, wie eine Körpertausch-Komödie, die mit einem Monsterfilm gekreuzt wurde.

Doch es funktioniert, was vor allem Sydney Chandler zu verdanken ist. Sie war bereits der beste Teil von FXs weitgehend vergessenswerter Miniserie über die Sex Pistols, und sie ist hier eine äußerst fesselnde zentrale Figur – zugleich kindlich und erwachsen, menschlich und unmenschlich. Mal ist sie die verletzliche Heldin der Geschichte, mal wirkt sie wie eine noch größere Bedrohung als die Xenomorphs oder die Augenkreaturen.

Vergangenheit, Nostalgie und gefährliche Hybris

Timothy Olyphant, der nach seiner Nebenrolle in Staffel 4 von „Fargo“ erneut mit Hawley zusammenarbeitet, spielt den ruhig selbstbewussten Kirsh passend eigenwillig. Der andere Star des Casts ist der britische Schauspieler Babou Ceesay als Morrow, ein Cyborg, der den Maginot-Absturz überlebt hat und eigene Ziele verfolgt.

Er ist die zentrale Figur der fünften Folge der Staffel – ein Rückblick, der zeigt, was zum Absturz der Maginot führte. Diese trägt den Titel „In Space, No One…“, eine Anspielung auf den berühmten Werbeslogan des ersten Alien-Films: „Im All hört dich niemand schreien.“ Zwischen diesem Titel und der Tatsache, dass das Design der Maginot stark an die Nostromo von 1979 erinnert, lädt Hawley geradezu zu Vergleichen ein. Doch Ceesay macht Morrow so komplex – besonders im Kontrast zu seinem Verhalten in der Gegenwart der Serie –, und Hawleys Drehbuch und Regie finden genug neue Nuancen in bekannten Mustern, dass alles fesselnd bleibt. Selbst wenn die Folge erneut die heikle Frage ausspart, wie genau diese Gruppe Amateure eine perfekte Tötungsmaschine einsperren konnte.

An mehreren Stellen in dieser Episode hört Morrow die Ballade „We’ll Meet Again“ von Vera Lynn, die unvergesslich über der finalen Szene von Stanley Kubricks Kalter-Krieg-Klassiker „Dr. Strangelove“ gespielt wird. So lädt Hawley in einer Stunde gleich zwei scheinbar unmögliche, wenig schmeichelhafte Vergleiche ein. Es gibt eine Grenze, an der Selbstvertrauen gefährlich in Hybris umschlägt. Innerhalb der Geschichte von „Alien: Earth“ gibt es viel Hybris – vor allem, wenn Boy Kavalier seine bahnbrechende wissenschaftliche Errungenschaft immer wieder riskiert, weil ihn die gefährliche Fracht, die in seinem Hinterhof abgestürzt ist, fasziniert. Doch wie schon bei Fargo findet Hawley letztlich einen Weg, „Alien: Earth“ wie einen legitimen Teil dieses fiktionalen Universums wirken zu lassen.