Giorgio Armani: Nachruf auf einen Gentleman der hohen Mode- und Popschule

Kumpel von Eric Clapton, Schneider für Lady Gaga. Die Pet Shop Boys huldigten ihm bereits Mitte der 1980er

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Der Mailänder Modemacher Giorgio Armani, der die „Uniformen der Sehnsüchte“ („Vogue USA“) schuf, ist verstorben, wie sein Unternehmen am heutigen Nachmittag (04. September) in Mailand bestätigte.

Armani feierte am 11. Juli 2025 seinen 91. Geburtstag. Der stets mit strahlendem Blick in und auf die Welt blickende „Meister des stillen Glamours“ („Vanity Fair“) war ebenso Popstar wie Architekt eines weltweiten Modeimperiums.

Armani wurde im Vorkriegs-Italien am 11. Juli 1934 in Piacenza als Sohn von Maria Raimondi und dem Speditions-Manager Ugo Armani geboren. In der Nachkriegszeit arbeitete er nach abgebrochenem Medizinstudium und Wehrdienst bei der Armee zunächst als Schaufensterdekorateur und Ausstellungsmacher. Er wurde dann Modeeinkäufer und Leiter der Herrenmoden-Abteilung des Mailänder Warenhauses „La Rinascente“.

Vom Dekorateur zum Modekaiser

Hier entdeckte sein Faible für Stoffe und Schnitte. Er arbeitete im Modehaus Nino Cerruti, wo er von in den Jahren 1961 bis 1970 Herrenmode entwarf. Bevor er 1974/75 zusammen mit Sergio Galeotti die gleichnamige Marke Giorgio Armani gründete. Er zimmerte daraus ein Milliarden-Konstrutz, das sich über Laufstege, Hotels, Möbel, Parfum bis hin zu den Kickertrikots für den SSC Neapel und andere Teams erstreckt hat. Sein Fußball-Herz schlug aber für die Blau-Schwarzen von Internationale Mailand.

Armani 1973

Seine charakteristische Linie: Weich fallende Schultern und zurückhaltende Farben. Ein Look, der das so genannte Powerdressing der Achtziger definierte und gleichzeitig alles Konventionelle in Frage stellte.

Mit Richard Gere im Paul-Schrader-Film „American Gigolo“ begann um 1980 herum die Symbiose von Armani und Hollywood, die ihn zur festen Größe auf roten Teppichen machte. Nicht als Promi-Gast, sondern als Schöpfer zahlreicher Signature-Outfits. Armani war dabei kein Lautsprecher, aber stets auf Ballhöhe. Seine eigener Style – dunkelblauer Pullover, passende Hose, weiße Sneaker – wurde zur Ikone seiner selbst. Ebenso wie sein Bronzeteint und seine klare Ästhetik.

Armani und die Popkultur

Auch in der Popmusik war und ist Armani präsent. In ihrer Hymne „Paninaro“ aus dem Jahr 1986 huldigen die Pet Shop Boys dem Italo-Lifestyle der Vespa und Lambretta fahrenden Teenager von Milano oder Rom. In einer Strophe heißt es dort: „Armani, Armani, A-A-Armani, Versace, Cinque….“.

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Der Look passte zu vielen britischen Pop-Entwürfen dieses Ära. 1999 begegnete der ziemlich durchgenudelte „Slowhand“ Eric Clapton in den USA der 31 Jahre jüngeren Melia McEnery, die damals für Armani arbeitete. Sie bat um ein Autogramm wurde seine zweite Ehefrau und Mutter von drei Töchtern. Über diese Begegnung entstand eine Freundschaft zwischen Clapton und Armani. Bilder aus jeder Zeit zeigen beide mit Gitarren.

Nicht zu vergessen, die „Armani-Rocker“ Bryan Adams und Marius Müller-Westernhagen, die einst ihre Jeans- und Leder-Kluft durch feines Tuch ersetzten und damit auch einen Stilwechsel in der Musik vollzogen.

Für Lady Gaga schuf er Bühnenoutfits. Die französischen Elektrorocker von Daft Punk verarbeiteten einen Monolog des Südtiroler Produzenten und Pioniers der Clubmusik Giorgio Moroder zu dem Track „Giorgio by Moroder“. Eine feine Hommage an die Fragrance-Linie „Giorgio By Armani“.

Im fortgeschrittenen Alter von 70 Jahren gab der Meister mit „Armani Privé“ sein Debüt in der Haute Couture. Im Januar 2007 war er der erste Designer überhaupt, der eine Haute-Couture-Kollektion live im Internet übertrug. Armanis bisherige Karriere ist gespickt mit solchen Premieren: Nach dem Tod des Models Ana Carolina Reston war er der erste Designer, der Models mit einem BMI unter 18 verbot. Als Cineast kann man Armanis Kostüme neben „American Gigolo“ auch in „Goodfellas“, „Pulp Fiction“, „The Wolf of Wall Street“, „The Dark Knight“ sowie Tarantinos „Inglourious Basterds“ sehen.

Ein Vermächtnis von Stil

Bis zuletzt war „Mister Armani“, wie ihn seine Mitarbeiter ehrfurchtsvoll nannten, an der Spitze seines Hauses tätig: als Chairman, CEO und Kreativdirektor. Unermüdlich, neugierig, immer der Zeit voraus. Der Armani-Kosmos – aufgesplittert in die Labels „Giorgio Armani“, „Emporio“, „Collezioni“, „EA7“, „Privé“ bis zu „Armani/Casa“ – war stets Ausdruck seiner Vorstellung von Stil: zurückhaltend, zeitlos, unaufgeregt luxuriös.

Seine Familie und sein Team kündigten an, das Unternehmen in seinem Geist weiterzuführen – mit „Respekt, Verantwortung und Liebe“. Ein Nachruf auf einen Mann, der Mode nie als oberflächlich, sondern als Ausdruck von Haltung verstand. Oder, wie er selbst sagte: „Fashion is a serious job—and a wonderful one, for that matter.“

Leonardo Cendamo Hulton Archive

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.