„On NFTs“ – Disruptor der Kunstwelt

Rezension von On NFTs plus Abriss zur NFT-Geschichte: Von CryptoPunks über Beeple bis zur musealen Anerkennung digitaler Kunst.

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Mit „On NFTs“ liegt die überarbeitete und preisgünstigere Fassung eines kunsthistorischen Überblicks zum Phänomen Non-Fungible Token vor. Herausgeber Robert Alice bettet die oftmals technisch und ökonomisch dominierte Diskussion über NFTs in einen kunsthistorischen Kontext ein.

Kunst zwischen Technik und Markt

Das Buch nimmt zwei Perspektiven ein. Einerseits vermittelt es Grundlagenwissen über Blockchain, Algorithmen und die Logiken des digitalen Eigentums. Andererseits schlägt es Brücken von der Kunstgeschichte zu aktuellen Strömungen. Rembrandt trifft auf CryptoPunks. Sol LeWitts Konzepte erscheinen als Vorläufer generativer NFT-Kunst. NFTs sind nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern Teil einer langen Traditionslinie, die von Konzeptkunst, Netzkunst und Medienkunst vorbereitet wurde.

„On NFTs“
„On NFTs“

NFTs beschreiben ein Ökosystem, das ebenso von kreativer Innovation wie von marktschreierischem Hype geprägt ist. Die Präsentation ist sympathisch chaotisch: Über 300 Abbildungen und interaktive QR-Codes machen die digitale Dimension erfahrbar.

Historischer Abriss: Das Phänomen NFT

Die Geschichte der NFTs (Non-Fungible Tokens) ist untrennbar mit der Entwicklung der Blockchain-Technologie verbunden. Bereits in den 2010er-Jahren, kurz nach dem Aufkommen von Bitcoin, experimentierten Künstler und Entwickler mit der Idee, digitale Werke eindeutig auf einer Blockchain zu registrieren. Ziel war es, das Problem der beliebigen Kopierbarkeit digitaler Dateien zu umgehen und so Eigentum, Provenienz und Knappheit im digitalen Raum herzustellen.

2017 gilt als das Geburtsjahr der NFTs in ihrer heutigen Form. Projekte wie CryptoPunks von Larva Labs und später CryptoKitties machten die neue Technik populär. Erstmals konnten Sammler digitale Objekte handeln, die durch die Ethereum-Blockchain abgesichert waren. Diese Experimente legten die Grundlage für einen rasanten Aufstieg, der 2021 in einer globalen Aufmerksamkeitsexplosion gipfelte. Das spektakulärste Beispiel war der Verkauf von Beeples Werk „Everydays: The First 5000 Days“ bei Christie’s für über 69 Millionen US-Dollar. Ein Ereignis, das NFTs endgültig in den Kanon der zeitgenössischen Kunst katapultierte.

Die historische Bedeutung von NFTs liegt jedoch nicht nur in ihren Rekordpreisen. Sie markieren eine Verschiebung im Verständnis von Kunst. Von physischen Objekten zu programmierbaren, vernetzten und interaktiven Werken. Künstler wie Pak, Refik Anadol oder Emily Xie experimentieren mit Algorithmen, Datenströmen und partizipativen Strukturen, während Sammler und Communities durch Smart Contracts unmittelbar in die Wertschöpfung eingebunden werden.

NFTs haben die Spielregeln der Kunstwelt verändert

Gleichzeitig lösten NFTs Debatten über Nachhaltigkeit, Spekulation und künstlerische Qualität aus. Der Energieverbrauch von Proof-of-Work-Blockchains, die Dominanz finanzgetriebener Projekte und die Frage nach langfristigem kulturellem Wert stehen bis heute im Raum. Dennoch bleibt der historische Einschnitt unbestreitbar. NFTs haben die Spielregeln der Kunstwelt verändert, indem sie digitale Werke erstmals dauerhaft handelbar und institutionell sammelbar machten. Museen wie das Centre Pompidou oder das MoMA begannen, NFT-Werke in ihre Sammlungen aufzunehmen.

Damit setzen NFTs eine Entwicklung fort, die seit den 1960er-Jahren mit Konzeptkunst, Medienkunst und Netzkunst ihren Ausgang nahm: die Erweiterung des Kunstbegriffs durch Technologie. Ob sie als kurzlebiger Hype oder als fundamentaler Paradigmenwechsel in die Geschichte eingehen, ist noch offen. Sicher ist jedoch, dass NFTs eine neue Epoche eingeläutet haben, in der digitale Kreativität eine eigenständige, institutionell anerkannte Form von Kunstproduktion darstellt.

„On NFTs:“

„On NFTs“
  • Hardcover, 19.6 x 25.5 cm, 2.18 kg, 656 Seiten
  • taschen.com
  • EUR 40,-
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