40 Jahre „Rain Dogs“ von Tom Waits: Groteske Gossenpoesie
„Rain Dogs“ ist eine krächzende Blues-Ode an die Gescheiterten und Heimatlosen.
Zwei Jahre vor dem erscheinen von „Rain Dogs“ hatte Tom Waits sich mit dem Album „Swordfishtrombones“ von seinem Troubadour- und Barsänger-Image verabschiedet – nein, er hatte es zerstört, mit einer exzentrischen Platte voller Blues-Abstraktionen und jener verkratzten Gesangsstimme, die sein Markenzeichen wurde.
„Rain Dogs“ ist etwas zugänglicher, doch die Grundfarben sind dieselben. Marc Ribot spielt schiefe Töne, die Marimba klöppelt, die Lieder schwanken einsturzgefährdet. Keith Richards fügt Rhythm & Blues hinzu.
Fabelhaft ist schon der Opener, „Singapore“, eine rülpsende Polka, in dem Matrosen auf eine unheilvolle Seereise in ein fremdes Land gehen. Sie sind von allen guten Geistern verlassen.
Tom Waits und die 80er
„Rain Dogs“ ist eine Platte der Achtziger und doch auch nicht, weil Waits sich aus der Zeit verabschiedet hatte. Der Blues, der Tango, die Jahrmarktsmusik und die Freakshow verweisen auf Captain Beefheart, Harry Partch und Kurt Weills Ästhetik der 20er- und frühen 30er-Jahre. Waits’ Lieder sind Surrealismus und Groteske: Man darf es nicht mehr sehen, um es wieder sehen zu können.
„Rain Dogs“ ist Waits’ bis heute bekanntestes Album, weil das Spuckende und Gossenpoetische abseitig ist, aber nicht zu abseitig – den besoffenen Typen in „Tango Till They’re Sore“ tragen viele in ihren Seelen. Aber viel wichtiger noch: Tom Waits ist ein unendlicher Romantiker, unter dieser Musik schlägt ein großes Herz.
Natürlich in „Downtown Train“, das schließlich Rod Stewart berühmt machte. Aber vor allem bei „Time“, einem Herzensbrecher von einem Lied, in dem es ums Sterben geht und wieder um Matrosen und um die Erinnerung, die wie ein Zug am Horizont verschwindet. Das Ohr für Alltagsgespräche, das Assoziative, das Mitgefühl: Waits entfaltet mit seiner Lyrik auf „Rain Dogs“ eine impressionistische Magie, die kaum ein anderer Songwriter erreicht.
„Rain Dogs“ ist eine Ode an die Small-Town- Napoleons, die Gescheiterten und Heimatlosen, und Tom Waits singt sie als krächzenden Blues. Es ist die schönste Tragik der Welt.