Böhmermann im HKW: Skandal, Satire – und ein verbotenes Foto

Ein Abend voller Spannung: Böhmermann und Schertz im HKW diskutieren über Satire, Skandale und ein mysteriöses Fotoverbot. Jetzt die ganze Story lesen

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Im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ (HKW) trafen am Montagabend zwei Männer aufeinander, die es wissen müssen: Satiriker Jan Böhmermann und Medienanwalt Christian Schertz – zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne. Anlass war eine Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Die Möglichkeit der Unvernunft“, die noch bis zum 19. Oktober im HKW zu sehen ist.

Im Zentrum stand die alte, immer neue Frage: „Was darf Satire?“ Böhmermanns Antwort fiel knapp – und juristisch korrekt – aus: „Was Satire darf, entscheiden die Gerichte.“

Die Beziehung zwischen Böhmermann und Schertz ist lang, komplex und von wechselnder Dynamik geprägt – ein Spiel aus Konfrontation und Kooperation. Schon vor über 20 Jahren standen sich beide gegenüber, als Schertz den Fußballer Lukas Podolski gegen Böhmermanns Parodie „Lukas Tagebuch“ vertrat. Spätestens seit der „Schmähkritik“-Affäre 2016, in der Schertz Böhmermann gegen die Klage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verteidigte, verbindet sie ein professionelles Vertrauensverhältnis – auch wenn Böhmermann in seiner Show einst eine Karikatur von Schertz als „Dr. Witz“ auftreten ließ.

HKW reagiert nicht auf Anfrage des ROLLING STONE

Auch die zuletzt heftig diskutierte Implosion der begleitenden Konzertreihe kam zur Sprache. Der erste Dominostein, der fiel, war Rapper Chefket – nachdem Kritik an einem Instagram-Post laut wurde, auf dem er ein Trikot mit einem Palästina ohne Israel zeigte.

Medienstaatsminister Wolfram Weimer äußerte sich ebenfalls und kritisierte die Konzertplanung – ausgerechnet am Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel. Laut Böhmermann spielte Weimers Meinung bei der Absage jedoch keine Rolle. Vielmehr habe das Team erkannt, dass man „die Nichtberücksichtigung jüdischer Positionen“ an diesem Tag nicht verantworten könne, wie etwa die Funke-Medien zitierten.

Das anschließende Tohuwabohu – alle anderen gebuchten Acts sagten ihre Auftritte ab – ließ man im HKW unkommentiert. Es wurde nonchalant weggeatmet.

So fragte sich selbst die „Süddeutsche Zeitung“, ob das Ganze nicht ein „großer Witz“ im Sinne des Satirikers sei – eine gezielte Provokation, um genau diese Debatte auszulösen. Eine Anfrage von ROLLING STONE zu Strategien und Hintergründen ließ das HKW bereits Ende letzter Woche unbeantwortet.

Böhmermann und sein Mephisto-Grinsen

Böhmermann selbst äußerte sich dazu nur indirekt – wie gewohnt mit einem Mephisto-Grinsen.

Das Publikum erwartete möglicherweise einen Schlagabtausch, bekam aber ein halbwegs ziviles Gespräch. Böhmermann und Schertz diskutierten über juristische Grauzonen – etwa den berühmten „Sachsen-Imker-Rechtsstreit“ oder Schertz’ umstrittene Rolle als Anwalt von Till Lindemann.

Dass von diesem Abend keine frei fotografierten Pressefotos existieren, ist übrigens kein Zufall. Das Fotoverbot im Saal war Teil des „Konzepts“ – oder vielleicht auch Teil des Spiels: ein Abend über Öffentlichkeit, der sich der öffentlichen Dokumentation teilweise entzieht.

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.