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Birgit Fuß fragt sich durchKolumne

Billie Eilish und die Hymnen auf die Größten

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Alle, die gern lesen oder schreiben oder sogar beides, haben Lieblingswörter. Wörter, bei denen das Herz ein bisschen hüpft, wenn man sie liest – vielleicht weil ein bestimmter Mensch sie häufig gesagt hat oder weil sie inzwischen so selten vorkommen. Ein paar fast vergessene Wörter, die es wert sind, bewahrt zu werden: „baff“, „Firlefanz“, „Fisimatenten“, „Kladderadatsch“, „Kokolores“, „Mumpitz“, „raubauzig“, „saumselig“ usw. … Ich werde meinen Schreibtischnachbarn Arne Willander bitten, endlich mal eine Liste anzulegen!

Ebenso gibt es Wörter, die einem viel zu schnell und oft rausrutschen. Nicht Schimpfwörter, die haben ja meist ihren Grund. Aber beim Schwärmen fällt zumindest mir ständig dasselbe ein. Ich denke dann an unseren Kollegen Uwe Kopf, der in einem Brief an die damaligen „Tempo“-Autorinnen und -Autoren darum bat, jedes überflüssige Wort wegzulassen – „das gilt ­besonders für Adjektive“, aber auch für ­Superlative und Füllwörter wie „durchaus“ und „schlechthin“.

Wie vermeiden wir Füllwörter – und die sogenannte „Rockschreibe“?

Eigentlich (das mochte er auch nicht) schreibe ich gern „im Grunde“ oder „freilich“, aber seit ich Uwe kannte, mache ich es seltener. „Bitte keine Rockschreibe“ hat sich genauso eingeprägt, ich habe schon vorher „Frontmänner“ oder „Acts“ gestrichen, wann immer es ging. Nur bei „man“ und den Adjektiven, da komme ich an meine Grenzen. Ich finde einfach so vieles groß, manchmal sogar am größten, und großartig sowieso. Also habe ich zwei Lieder rausgesucht, die diesen Begriff (oder „Wortschrott“) ausstellen. Und zwar aufs Schönste.

„All my love and patience/ Unappreciated/ You said your heart was jaded/ You couldn’t even break it …“

Bereits 2014 ist „The Greatest Bastard“ von Damien Rice erschienen, auf seinem dritten Album, „My Favourite Faded Fantasy“. Was macht der irische Songschreiber bloß, warum kam seitdem nichts? Vielleicht weil seine Stücke so makellos sind, dass sie Jahre brauchen. Allein wie „The Greatest Bastard“ beginnt: „I made you laugh, I made you cry/ I made you open up your eyes, didn’t I?/ I helped you open out your wings, your legs and many other things, didn’t I?“ Der Mistkerl im Titel ist natürlich er selbst, und während die Liebe auseinanderfällt, schwellen die Streicher an, bis einem die Luft wegbleibt. Er wolle ja nicht undankbar sein, im Gegenzug habe sie ihn gelehrt zu lieben und zu leben, singt Rice, und sogar zu vergeben – doch dann ist er auf seiner Schuld sitzen geblieben, allein. Ein Pech!

Rice und Eilish wissen, wie hart es wird, wenn der Verliebtheitszauber weg ist

Rice klingt so zärtlich und doch irgendwie vorwurfsvoll. Letztendlich ahnt er wohl, dass er der Frau nicht gutgetan hat. „Am I the greatest bastard that you know?/ When will we learn to let this go?“ Wahrscheinlich wenn der Verliebtheitszauber weg ist und die Frau merkt, dass sie keine Geduld mehr übrig hat – wie Billie Eilish in „The Greatest“ (von „Hit Me Hard And Soft“, 2024). Das Lob für ihre eigene Liebes- und Leidensfähigkeit bleibt ihr im Chorus fast im Hals stecken: „Man, am I the greatest?/ My congratulations/ All my love and patience/ All my admiration/ All the times I waited/ For you to want me naked/ Made it all look painless/ Man, am I the greatest?“

Es ist fantastisch (sorry, Uwe!), wie sie schließlich zugibt, dass sie es hasst, dass all ihr Engagement gar nicht geschätzt wird, weil der Typ zu abgestumpft ist: „You said your heart was jaded/ You couldn’t even break it/ I shouldn’t have to say it/ You could’ve been the greatest …“

You could have been a contender, aber: Wer es nicht mal versucht, hat längst verloren. Und wer nicht bereit ist, sich das Herz brechen zu lassen, wird nie wirkliche Liebe erfahren. Das wusste auch der kluge Conor Oberst, als er einst sang: „Never trust a heart that’s so bent/ It can’t break!“