Postmoderne Mythen

Das kanadische Klangkollektiv GODSPEED YOU BLACK EMPERORI weiß, was Ekstase ist - und kennt sich auch mit Selbstinszenierung bestens aus

Da war doch was. Zuckerwürfelchen, Gewürzkrautkippen, Space Cakes. Dazu der Sound aus einer anderen Welt von Combos wie Sweet Smoke, Iron Butterfly, Pink Floyd.

Es hätte alles so schön sein können, doch die Rockmusik verheizte ihre Kreativität an die Hoffnung einer vagen Erkenntnis – und das Bewusstsein erweiterte sich bedenklich, bis ihm der Punk schließlich eine schallende Ohrfeige versetzte. Was für eine Zeit, damals vor drei Jahrzehnten, als man noch unbedarft drauflos lärmen durfte, umgeben von einem Nebel der Schaffenskraft, der immer wieder zu neuen Phantasien anregte. Nicht, dass sich die Musiker von Godspeed You Black Emperor! noch wirklich daran erinnern können. Die meisten wurden gerade erst gezeugt, als der Sound modern war, den sie heute nachempfinden. Das kanadische Klangkollektiv um den Gitarristen Efrim Menuck pflegt die ausgedehnte Ekstase, die zum Teil über Viertelstunden hinweg zum infernalischen Donnergrollen anschwillt, um dann in artige Cellotöne zu münden.

Der Sound ist dabei weitgehend beliebig, die Wirkung jedoch kathartisch. So frohlocken die Rezensenten angesichts der vermeintlichen Kraft der Underdogs. Das Debüt von 1998 wird hie und da sogar zum Album des Jahrhunderts erklärt. Und das, obwohl außer einer soliden, altbewährten Dröhnung kaum etwas zu hören, zu erleben ist. Es mag an der Verpackung liegen. Denn die inzwischen vom Trio zum Nonett plus Diaprojektor angeschwollene Undergroundcombo aus Montreal beherrscht die Technik der Selbstinszenierung perfekt. Nicht nur, dass sie Interviews und Fotos, auf denen sie zu erkennen sind, ablehnen.

Auch das Album-Cover von „Lift Yr Skinny Fists Like Antennas Tb Heaven!“

verrät gar nichts über die Band, dafür aber einiges über die Stilisierung. Auratische Hände, apokalyptische Grafiken und eine Mischung aus experimenteller Ästhetik und bewusstem Dilettantismus verorten Godspeed bu Black Emperor! eindeutig im postmodernen Mythenschwurbel zeitgemäßer Bedeutungsarmut. Da auch die Musik alles und nichts sagt, ist sie offen für jede mögliche Sinnfüllung. Und das wird wieder viele Apologeten freuen. Pfiffig, die Burschen!

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates