Die DNA des Blues

Mit dem Projekt "The Long Road To Freedom" zeichnete Harry Belafonte die Genesis der schwarzen Musik nach.

Die Geschichte von Jazz und Blues ist weithin bekannt. Und was davor war, so zumindest das Klischee, kam aus den Urwäldern Afrikas mit den Sklavenschiffen nach Amerika una wurde dort von den Arbeitern auf den Baumwollfeldern des Südens gesungen. Harry Belafonte wollte es genauer wissen. Bereits Mitte der fünfziger Jahre – gerade hatte der junge Sänger mit seinem Debütalbum „Calypso“ den ersten Millionenseller der Popgeschichte gelandet – begann er in den Archiven und Bibliotheken nach Zeugnissen früher schwarzer Musik zu suchen.

Dabei ging Belafonte wissenschaftlich zu Werke: „Ethnologen halfen uns herauszufinden,welche Lieder im 17. Jahrhundert, noch bevor die ersten Sklavenfänger auftauchten, in Afrika gesungen wurden.“ Weitere Forschungen führten ihn auf die Georgia Sea Islands, nicht weit vor der US-Atlantikküste gelegen. Belafonte: „Dorthin flüchteten die Sklaven vom Festland. Sie hatten keine Ahnung vom Navigieren, und viele glaubten, sie seien wieder zuhause in Afrika. Die dortigen Gemeinden haben sich relativ ungestört von der westlichen Zivilisation entwickelt, auf den Inseln ist noch viel von der ursprünglichen Musik erhalten.“

Mit dem schwarzen Arrangeur Leonard de Paur entwickelte Belafonte ein Konzept, um diese historische Musik mit zeitgenössischen Künstlern möglichst authentisch neu zu schaffen. Die Aufnahmen zogen sich hin von 1961 bis 1971, Künstler wie Sonny Terry & Brownie McGee, Joe Williams und Belafonte selbst wirkten mit, dazu unbekannte Folkmusiker von den Georgia Sea Islands und Chöre aus Nigeria und Ghana.

Leider aber blieben die Bänder bis 1998 in einem New Yorker Archiv unter Verschluss. Dann erst wurden sie unter Aufsicht von Belafonte restauriert und editiert, bevor das Projekt im Jahr 2002 unter dem Titel „The Long Road To Freedom – An Anthology Of Black Music“ (Buddah Rec./Sony BMG) als 5-CD-Boxset mit 140-seitigem Buch und ‚Making Of‘-DVD erschien. Zu hören gibt’s ein faszinierendes Kaleidoskop mit westafrikanischen Chants, den Gesängen der Chain Gangs, Trink- und Kinderliedern und frühen Spirituals – unverzichtbar, wenn man die populäre Musik des 20. Jahrhunderts wirklich verstehen will. Was auch die Generation HipHop findet, wie Belafonte bestätigt: „Ich war zu Gast bei einer internationalen HipHop Convention. Viele dort waren fasziniert von Anthology. Sie spürten, dass sie auch ihre Geschichte erzählt.“

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