anthony kiedis – interviews

Das neue Album der Red Hot Chili Peppers führt die Ansätze ihrer "Californication" noch einen Schritt weiter, hinauf zu den lichten, harmoniengeladenen Höhen der Hollywood Hills. Mit "By The Way", wiederum produziert von Rick Rubin, der seit "BloodSugarSexMagic" an den Reglern sitzt, hat die Band ein abgeklärtes und überraschend wohlklingendes Werk abgeliefert- erstaunlich für vier funkige Punks, die dafür bekannt waren, sich Socken über ihre Schwänze zu stülpen. Kein Wunder, dass auch Anthony Kiedis inzwischen als charmanter Plauderer rüberkommt.

Auf dem neuen Album sind derart viele „southern californian“ Harmonien zu vernehmen, dass man fast von The Red Hot Mamas And The Papas sprechen könnte.

Es klingt halt besser, wenn du Harmoniegesang einsetzt. Wir haben zuvor schon alle nur denkbaren Gesangsvariationen ausprobiert, und diese hier war neu und verhieß Spaß. Ich liebe die Mamas And The Papas, und vielleicht haben sie mich unterbewusst inspiriert, besonders Mama Cass. Es gab Zeiten, in denen ich völlig am Arsch war, und ihre Stimme war irgendwie der Grund dafür, dass ich weitermachen wollte.

„By The Way“, die erste Single, ist funky und punkig, aber alles andere ist der reine Schönklang. Habt ihr versucht, der Welt nach dem 11. September etwas Schönes zu vermachen?

John (Frusciante) und ich waren während der Weihnachtszeit in der Karibik. Wir schwammen in diesem herrlich blauen Wasser, ließen uns von den Wellen tragen und sagten uns: „All dieses Gerede darüber, dass das Ende der „Weit nahe ist und dass wir in solch einer zerstörerischen Zeit leben, das ist purer Schwachsinn.“ Da draußen gibt’s mehr grenzenlose Schönheit, als dass die negativen Dinge je Oberhand gewinnen könnten. Dieses 11. September-Ding, das ist für uns wie ein ständig wachsender Schmerz. Es ist der ewige Existenzkampf, der permanente Kampf zwischen Gut und Böse.

Als große, noch nicht so alte Herren des Alternative-Rock altert ihr jetzt in Würde. Etwas, womit man vor ein paar Jahren wohl nicht gerechnet hätte.

Ja, ich will in Würde altern. Die Leute haben unheimliche Angst davor, alt zu werden. Echt traurig. Speziell in dieser Stadt umgibt die Schönheit des Alterns eine unglaublich negative Aura. Und was unsere Musik angeht: Die Zeiten mögen sich geändert haben, aber unsere Musik hat noch immer den gleichen Stellenwert, noch immer dieselben Schwingungen wie auf unseren frühen Platten.

Die Red Hot Chili Peppers sind also noch immer „wichtig“?

Absolut. So clean, wie wir heute sind, könnten wir zwar getrost zum Dinner mit der englischen Königin gehen – unsere Bedeutung als Punkrocker würden wir aber trotzdem nicht verlieren. Wir könnten den ganzen Tag in Limos und Privatjets rumkutschieren – und wären noch immer mehr punk als all die Bands, die sich heute Punk-Rocker nennen. An unserer Motivation hat sich nichts geändert – und die kommt der Essenz des Punk weitaus näher als jene Bands, die so tun, als würden sie die Uhr um 20 Jahre zurückdrehen.

Wie sind die Beziehungen innerhalb der Gruppe? Kommt es dir heute so vor, als ob euer heutiger „Gitarrengott“ und Schwimmkumpel John Frusciante die Gruppe nie verlassen habe?

Ich würde gerne vergessen, dass er uns je verlassen hat, aber irgendwas erinnert mich laufend daran. Ich stoße vor ’nem Restaurant auf Dave Navarro, oder in San Francisco kommt ein naseweises Bürschchen auf mich zu und sagt: „Oh, ich liebe ‚One Hot Minute‘, mein absolutes Lieblingsalbum.“ Und ich antworte: „Ach, wirklich?“

Also vermute ich mal, dass es nicht dein Lieblingsalbum war.

„One Hot Minute“? Das war eine absolut beschissene Zeit für mich.

War es anders ohne John?

Das ist so, als würdest du jemanden fragen: „Wäre deine Familie eine andere, wenn du mit einer anderen Frau verheiratet wärst?“ Aber keine Frage: Unsere Beziehungen sind besser denn je.

Ihr habt die Vocals vorwiegend im legendären „Chateau Marmont“-Hotel aufgenommen. Wie war das?

Wir hatten eine Suite im siebten Stock gemietet, bauten unsere ProTools in einem Zimmer auf, stellten das Mikroins Schlafzimmer und dekorierten die Räume nach unserem Geschmack. Ich brachte ein paar Filmplakate aus den 40er und 50er Jahren mit, „Creature from the black Lagoon“ und so was. Beschwerden gab’s keine, nur einmal im Aufzug traf ich dieses unglaublich sexy Mädchen aus England, das sagte: „What is going on in that room? Someone is singing real loud.“ Zu dumm, dass ich sie danach nie wieder gesehen habe.

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