Alec Empire von Atari Teenage Riot: „Wozu Regierungen?“

In den Neunzigern wollte Digital-Punk Alec Empire mit Techno den Staat stürzen. Zumindest die revolutionären Ideale hat er heute noch.

Riot sounds produce riots – unter dem Motto knallte Alec Empire mit seiner Berliner Breakbeat-Krawalltruppe Atari Teenage Riot dem Publikum in den Neunzigern eine neue Definition von Punk vor den Latz. Nach zehn Jahren Pause ist die Gruppe nun mit dem Album „Is This Hyperreal?“ zurück. Und Empire, bürgerlich Alexander Wilke-Steinhof, muss sich erklären: Welche der Rebellengesten sind 2011 noch anwendbar?

1999 haben Sie bei den Krawallen zum 1. Mai in Kreuzberg gespielt. Heute bezeichnen Sie das neue Atari-Album „Is This Hyperreal?“ als „ultimate protest album of the Google age“. Wie wichtig ist Ihnen heute politischer Protest?

Ich hatte immer zu vielen Dingen eine eigene Meinung – man muss aber auch als Person dazu stehen und solche Aussagen verkörpern, sonst kann ja jeder alles behaupten. Hacker-Aktivismus ist diesmal das zentrale Thema des Albums. Die Copyright-Gesetze fand ich auch schon immer fragwürdig, es gab ja sogar das Album „Alec Empire vs. Elvis Presley“, das ironischerweise ins MoMA kam, weil es ein illegaler Mash-up-Vorläufer auf Vinyl war. Ich finde, das Urheberrecht sollte die Kreativen beschützen und nicht den großen Plattenfirmen und Musikverlagen helfen, Musik und Kunst zu verhindern.

Glauben Sie wirklich, dass man mit Musik etwas an den herrschenden Zuständen verändern kann?

Natürlich. Ähnlich wie Sprache beeinflussen Musik und Klang, wie wir die Welt wahrnehmen und sie uns erklären. Das funktioniert in beide Richtungen: Musiker nehmen Stimmungen und Realitäten auf und schaffen die Musik dazu. Herrschende Zustände werden letzten Endes ja hauptsächlich in unseren Köpfen hingenommen und akzeptiert. Und das kann sich auch sehr schnell ändern.

Gehen Sie wählen?

Nein, ich war noch nie wählen, ich bin gegen das System. Ich finde, wir leben in einer Demokratie, in der mafia-ähnliche Verhältnisse herrschen. Früher hat man uns vorgeworfen, wir wären total pessimistisch und weltfremd. Aber ich halte weiterhin an meiner anarchistisch-libertären Haltung fest: Warum brauchen wir überhaupt Regierungen, die alles schwieriger machen und verfälschen? Die Leute sollten ihr Leben viel mehr in die eigene Hand nehmen. An dieser Haltung hat sich seit den Anfängen von Atari Teenage Riot nicht das Geringste geändert.

Also: still anarcho after all these years?

Ja. Viele verbinden damit ja nur, dass militante Leute durch die Straßen ziehen, Mülltonnen anzünden, Köpfe einschlagen – aber diese Herrschaftsverhältnisse widersprechen auf lange Sicht jeder Logik. Viele Systeme werden deshalb korrupt, weil Hierarchien eben immer zu Korruption einladen. Die Leute versuchen, ihre Macht zu erhalten, verfälschen dazu Informationen. Aber wenn mir ein 18-Jähriger erzählt, dass der Mann zum Jagen gemacht wurde und die Frau zum Kinderkriegen – dann merke ich, dass noch viel zu erkämpfen ist.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates